Für Donnerstag, 02.03. 2017 hatten wir den Plan gefasst, uns einmal wieder einen fahrbaren Untersatz zu besorgen, um die Stadt besser erkunden zu können. Unserem fahrerischen Können in Bezug auf Rollerfahrten in der Stadt trauten wir nach wie vor nicht, also blieb, wie schon öfter zuvor, nur der Drahtesel.
Unser Reiseführer empfahl ein kleines Kaffee in Laufweite und pries den dort servierten Kaffee als den Besten der Stadt an. Wir machten uns also auf den Weg und wieder fielen mir die schönen kolonial-französischen Fassaden in’s Auge, wenn sie auch nicht so prächtig ausfielen wie in Siam Reap. Irgendwie vermittelten sie mir ein vertrautes Gefühl und der Duft von frischem Baguette, der durch die Straßen wehte, verstärke dies noch und ich fühlte mich ein wenig wie in Südfrankreich.
Am Kinyei Café angekommen, studierten wir die Karte und ich entschied mich für einen einfachen schwarzen Kaffee – ohne Schnickschnack – der wirklich unheimlich gut war. Zusammen mit dem georderten Käsesandwich ergab dies ein äußerst zufrieden stellendes Frühstück für mich. Im Café erkundigten wir uns auch direkt, ob man irgendwo in der Nähe Fahrräder mieten könnte. Freundlich verwies man uns an einen Laden, der direkt um die Ecke lag und nachdem wir aufgegessen hatten, gingen wir nach nebenan und begutachteten das – wie üblich – etwas desolate Angebot an Rädern. Wir fanden aber doch schnell zwei Gefährte, die den Richtlinien der StVo im Ansatz entsprachen und radelten los.
Battambang ist mit 180.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kambodschas, was aber irgendwie nicht auffällt. Auf den Straßen ging es gemächlich zu und wir mussten nicht befürchten, ständig von nervösen Autofahrern über den Haufen gerast zu werden.
Bevor wir uns der klassischen Stadtbesichtigung widmeten, nahmen wir erst einmal Kurs auf eine Polyklinik, die Basti bereits am Vorabend recherchiert hatte. Nach seinem Klinik-Abstecher in Thailand wollte er nun – eher unfreiwillig, jedoch für ihn nicht zu umgehen – die medizinischen Zustände in Kambodscha überprüfen. Seit einigen Tagen hatte er einen merkwürdigen Punkt auf dem Oberschenkel, der ihm, da dieser auch schmerzte, keine Ruhe ließ.
Wir betraten die Eingangshalle und liefen direkt dem Chefarzt in die Arme, der uns sehr freundlich und neugierig empfing. Basti schilderte sein Problem und wurde umgehend auf die Waage gestellt, größentechnisch vermessen und auf ein Bett – was sich praktischer weise ebenfalls direkt im Eingang befand – darnieder gestreckt. Puls, Blutdruck und Temperatur wurden pflichtbewusst von einer Krankenschwester mit Mundschutz (aber ohne Handschuhe) in einem Aufnahmebogen erfasst. Alles sehr dramatisch und der Situation des besorgen Patienten Basti somit sehr angemessen.
Im Anschluss wurden wir in einen Nebenraum gebeten, der unter Gesichtspunkten gewohnter steriler Bedingungen aus Deutschland ein glatter Witz war. Der behandelnde Assistenzarzt trug zwar ebenfalls einen Mundschutz, schickte sich aber ebenfalls an, Bastis Hautinfektion, die bakteriellen Ursprungs war und die man sich mit etwas Glück – oder Pech – in jeder Ecke der Welt zuziehen kann, ohne Handschuhe desinfizieren zu wollen. Nach einer kurzen Intervention kramte er ein Paar Latexhandschuhe hervor und vollzog sein Werk, indem er großzügig eine orange Desinfektionslösung auf Bastis Wunde verteilte. Dann klatschte er ein wenig Watte darüber und versuchte das Ganze mit einem Pflaster, was seinen Dienst zuerst verweigerte, zu fixieren. Es brauchte einige Anläufe und einige neue Pflaster, bis die Behandlung tauglich abgeschlossen war. Der Chefarzt verschrieb zusätzlich noch eine Ladung Antibiotika und damit war das Kapitel auch schon beendet und wir konnten unser normal-touristisches Programm fortsetzen.
Wir fuhren vorbei an Tempeln, schönen Gartenanlagen, auffallend vielen Kunst-Galerien, Straßenhändlern und Cafés, bis wir zum „Riverside Balcony“ direkt am Fluss gelangten. Dieses Restaurant/Bar/Cafe war uns in einer kleinen touristisch aufgearbeiteten Citymap, die wir uns im Hotel besorgt hatten, als eine der überschaubaren Sehenswürdigkeiten und „Places to be“ in Battambang an’s Herz gelegt worden. Von außen sah das mehrstöckige Holzgebäude äußerst einladend aus. Allerdings verhinderte das große Vorhängeschloss an der Tür, dass wir die Lokalität auch von Innen in Augenschein nehmen konnten. Enttäuscht wollten wir wieder abziehen, als eine junge Frau an der Seite des Gebäudes erschien und uns aufklärte, dass das „Riverside Balcony“ erst am Nachmittag seine Pforten öffnen würde. Wir versprachen, später zurück zu kommen und bestiegen erneut unsere Räder und machten uns auf die Suche nach Nahrung, da das Frühstück bereits eine ganze Weile zurücklag.
Fündig wurden wir in der Nähe eines Tempels in einem Innenhof. Das Restaurant war speziell gestaltet und bestand nicht aus einem großen Raum sondern aus nebeneinander liegenden kleinen „Abteilen“, die mit einem Tischchen und Liegesitzen ausgestattet waren. Irgendwie wirkte dies auf uns Japanisch, wobei weder Basti noch ich bisher in Japan gewesen waren. Wir versuchten, auf der kambodschanischen Karte irgendetwas zu finden, was uns ansatzweise bekannt vorkam, scheiterten allerdings komplett und riefen den Kellern zu Hilfe, der auch direkt hilfsbereit mit einer englischen Karte anrückte.
Das Angebot war überschaubar und eher westlich orientiert, was mich lediglich zur Bestellung einer Kokosnuss veranlasste. Diese wurde dann, quasi fangfrisch, auf einem niedrigen Holzblock im Innenhof von einem geübten Servicemitarbeiter mittels einer Art Hackebeil fachmännisch von ihrer äußeren Hülle befreit und flugs mit Strohhalm serviert.
Nach der Rückkehr in unser Hotel mit dem Todesventilator nahmen wir am frühen Abend wieder Kurs zum „Riverside Balcony“ auf. Der Pizzaduft, der aus der Küche zu unserer Liegewiese auf der gemütlichen Terrasse, herüber wehte, veranlasste uns, diese auf Verzehrtauglichkeit hin zu prüfen. Unser Fazit: hauchdünn, extrem knoblauchlastig, lecker! Essen, Bier und Kulisse des „Riverside Balcony“ stimmten und wir ließen den Abend hier nicht all zu früh ausklingen.
Am nächsten Morgen gaben wir unsere Fahrräder zurück und gingen direkt wieder zu unserem Hotel, wo wir um 12:00 Uhr mit einem zuvor gebuchten TukTuk Fahrer einen Ausflug in die Umgebung unternehmen wollten.
Fünf vor Zwölf knatterte „Rita“ – unser Fahrer – samt TukTuk-Sänfte vor die Eingangstür und lud uns freudestrahlend ein. Auf dem Plan stand eine Fahrt mit dem (legendären) Bamboo-Train, eine Fahrt durch die ländlich, dörfliche Umgebung und zum Abschluss der Besuch der Killing- und Bat-Caves. Es wartete also ein tagesfüllendes Programm auf uns.
Rita war unheimlich nett und sprach zudem ziemlich gut Englisch. Er fuhr zuerst mit uns ein wenig durch die Stadt, erzählte uns einiges über die bewegte Geschichte Battambang’s und Kambodscha‘s und kutschierte uns schließlich zu unserer ersten Station des Tages: dem Abfahrtsbahnhof des Bamboo-Train.
Wir wussten in etwa, was uns erwartete und sprangen auf die niedrige Plattform aus Bambusholz, die mit Teppichen und Kehrseiten-schonenden Kissen ausgelegt war, und versuchten, im Schneidersitz, eine bequeme Position einzunehmen. Die Bamboo-Trains – wie gesagt, eine motorisierte Draisinen-artige Konstruktion aus Bambus-Brettern, die ein wenig an fliegende Teppiche erinnerten, lagen nur lose auf zwei Radsätzen auf und waren über einen Keilriemen mit dem hinten angebrachten Dieselmotor einfachster Bauart verbunden.
Es gibt nur eine Strecke – gleichermaßen für den Hin- als auch für den Rückweg. Bei Gegenverkehr muss man absteigen und die Plattformen werden, samt Motor und Radsätzen, von den Schienen gehoben, der Gegenverkehr darf passieren und dann setzt man das Ganze einfach wieder auf die Schienen und knattert weiter.
Die Fahrt startete gemächlich, nahm aber in Windeseile rasant an Fahrt auf. Der Fahrtwind, der uns entgegen schlug, kühlte uns nicht ab – es war brüllend heiß, als wie durch die versengte Landschaft donnerten. Die Fahrt fühlte sich an, als säße man in der Wilden Maus – allerdings in der Highspeed Offroad Edition. Die Schienenstränge verliefen so ungleichmäßig, dass wir ordentlich durchgerüttelt wurden. Teilweise waren notdürftige Reparaturen an den Schienen vorgenommen worden, was die Fahrt aber nur noch abenteuerlicher gestaltete, da man jedes Anschlussstück der Schienen – die sich nicht gleichmäßig zusammenfügten sondern kleine Spalte aufwiesen und in beeindruckend beängstigenden Schlangenlinien verliefen – mit ordentlichen Hopsern und dem Eindruck überfuhr, dass man gleich aus der Spur fliegen müsste.
Unser Fahrer drückte aber unbeeindruckt weiter auf’s Gas und wurde erst langsamer, als wir einen vor uns fahrenden Bamboo-Train fast eingeholt hatten.
Da wir zu zweit hintereinander unterwegs waren, musste der uns entgegenkommende Zug von den Schienen gehoben werden und wir fuhren amüsiert an den in der sengenden Sonne darbenden Touristen und deren Fahrer vorbei. Wieder lieferten wir uns ein Rennen mit unserem Vordermann und kamen – nach ca. 10 Minuten wildester Fahrt – am Ende der Strecke an.
Früher verband der Bamboo-Train Battambang mit Siem Reap und war ein wichtiges Transportmittel für Lebensmittel und sonstige Güter. Heute dient er lediglich noch als Touristenattraktion und fällt vermutlich im nächsten Jahr dem Bau einer neuen Zugstrecke zum Opfer. Dies ist insofern sehr bedauerlich, da damit einen wichtige Einnahmequelle für die Bevölkerung entlang der Strecke ersatzlos entfällt.
An der Endhaltestelle gab es diverse Souvenirs sowie Getränke und Essen zu erstehen. Wir liegen ein wenig in der Gegen herum, die auf Grund der Trockenzeit aber wenig spektakulär und im Wesentlichen staubig anzuschauen war. Als wir nach kurzer Zeit zur Endstation zurückkehrten viel uns ein Grill in`s Auge, auf dem merkwürdiges und recht undefinierbares Getier vor sich hin brutzelte. Die Verkäuferin informierte uns, dass es sich bei dem Grillgut um Feldratten handelte, die ganz köstlich und schön fett seien, da sie ja nur besten Reis und keinen Müll zu sich nahmen und sie amüsierte sich auf Grund unserer angewiderten Gesichtsausdrücke offenbar immens. Wir hatten ja durchaus Erfahrungen mit dem Verzehr nonkonformistischer Lebensmittel gemacht, aber Ratten wollten wir unseren Speiseplan dann doch nicht ergänzen.
Wir bestiegen also wieder unsere fliegenden Bambus-Teppiche und rasten die Strecke zurück. Trotz der brüllenden Hitze war das Ganze ein absoluter Mordsspaß und wir behielten das eingemeißeltes Grinsen in unseren Gesichtern für die nächsten Stunden bei.
Die Fahrt führte uns nun durch einige Dörfer bei denen es sich im aber eher um eine Ansammlung einzelner Hütten handelte. Kühe, Schafe und Ziegen gehörten zur Standard Ausstattung der Haushalte und dösten bräsig im Schatten der zusammengezimmerten Stallungen, die direkt an die Hütten angebaut waren, vor sich hin. Die Umgebung wirkte sehr arm, aber überall, wo wir Menschen sahen, blickten wir in glückliche und zufriedene Gesichter. Die Hütten sind befinden sich stets in relativ großer Höhe und darunter befindet sich ein Freiraum, der fast immer mit Hängematten ausgestattet ist. Die Hütten dienen lediglich zum Schlafen; gelebt, gechillt, gespielt und getroffen wird sich tagsüber unten.
Nach einer Weile machten wir an einem Wat halt und durften uns umschauen. Wir durchstreiften die Anlage und bewunderten die schönen Stupas auf dem Gelände. Unser Fahrer und Guide, die redselige Rita, erklärte uns, dass diese Stupas eine Art Begräbnisstätte darstellt, die auf Wunsch der Familie des Verstorbenen mit individuellen Symbolen und Statuen versehen werden können. Dafür bedarf es allerdings auch immer eines bestimmten Budgets. Je prächtiger der Stupa, desto einflussreicher (und damit auch reicher) war der Verstorbene.
Basti und ich schlenderten durch den Garten des Wats und plötzlich stand ein Mönch in typisch oranger Kluft vor uns. Basti ging direkt weiter, da er wohl befürchtete, dass dieser uns zum Zweck einer Spendenbitte gestoppt hatte. Ich ließ mich jedoch unbefangen auf ein Gespräch ein und schilderte, wo wir herkamen, was wir hier machten und tauschte ein wenig Smalltalk mit dem buddhistischen Geistlichen aus.
Als er mich in sein Haus bat, war ich zunächst etwas befangen, da ich nicht einfach in seine heiligen Hallen hineinschlurfen wollte. Aber er ließ nicht locker und so folgte ich Ihm schließlich in sein spartanisch eingerichtetes Heim.
Dort gab es einen Raum mit einem Schlafplatz (eine dünnen Matte auf dem Boden) und einem Schrank, einen Gebetsraum und einen weiteren Raum, an dessen drei Seiten Tische mit verhüllten Gegenständen standen. Als er einen der mysteriösen Gegenstände enthüllte, traute ich meinen Augen kaum. Darunter befanden sich PC’s – inkl. Monitor und Tastatur. Baujahr in etwa 1990 – also quasi Oldtimer der Personal Computer Generation.
Er erklärte mir, dass er der Meinung sei, dass man sich nur durch Bildung aus Armut und kleingeistigem Denken befreien könne und so hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, die Kinder der Bauernfamilien der Umgebung im Umgang mit Computern zu schulen, um ihnen eine besseren Start in eine erfolgreiches Leben mit den Ansprüchen der Neuzeit zu ermöglichen.
Ich war geradezu platt und machte nur große Augen. Ich hatte sonst etwas erwartet, aber nicht einen IT Mönch, der die Zeichen der Zeit offenbar richtig zu deuten wusste. Das war auch schon alles, was er mir zeigen wollte. Er bat nicht um Spenden oder sonstige Unterstützung. Er wollte sich einfach nur nett unterhalten und vielleicht deutlich machen, dass man hier die Welt nicht für eine Scheibe hielt. Ich verabschiedete mich freudestrahlend von Ihm und wünschte Ihm für seine Bemühungen nur das Beste und er entließ mich ebenso erfreut in die Hitze des Gartens.
Nach diesem schönen und unerwarteten Erlebnis fuhren wir weiter. Die Fahrt dauerte noch nicht lange und wir waren von den ländlichen Sandpisten gerade wieder auf die Hauptsraße abgebogen, als Rita bei einer Straßenhändlerin stoppte. Der kleine Verkaufsstand setzte sich aus einem windschiefen Sonnenschirm, einem Tischen mit Kokosnüssen, einem klapperigen Stühlchen und einem Grill zusammen.
Auf diesem Grill schmurgelte etwas vor sich hin, was wir bereits vom Bamboo-Train kannten: Ratten in den gängigen Verzehrgrößen S, M, und XL – platt wie die Flundern und jenseits des Garpunktes, der als saftig durchgehen würde. Wir waren wohl noch etwas „high“ von unserer wilden Bambus-Zug-Fahrt, jedenfalls ließen wir uns von Rita zu einer Kostprobe überreden. Er wollte uns zuerst eine der großen Exemplare zukommen lassen, was wir aber hektisch ablehnten und ihn um eine kleine Version baten. Diesen speziellen Snack reichte uns die Verkäuferin zusammen mit einem Schälchen Pfeffer, das mit Limettensaft und Chilli gemischt war.
Jetzt kamen wir aus der Ratten-Nummer nicht mehr heraus und ohne großartig weiter darüber nachzudenken, riss sich jeder ein Stückchen des durchgegrillten Nagers ab, dippte es in den Limetten-Pfeffer und mümmelte vor sich hin. Der Ekel, den man vor solchen Sachen hat, kommt meistens nicht von der geschmacklichen Komponente, sondern wird mental impliziert. Vermag man es, den Kopf auszuschalten, ist die Herausforderung keine große mehr.
Und was soll ich sagen… es schmeckte. Und da die Ratte durch den Feuersturm des Grills quasi zweifach getötet worden war und somit auch bestens desinfiziert aufgetischt wurde, fanden wir durchaus Gefallen an der überaus knusprig-krossen Spezialität mit 1A Röstaroma.
Nun stand die letzte Station unserer Tour auf dem Plan: Die Killing- und Bat Caves von Battambang. Den Name Killing Caves verdanken die Höhlen auf dem Berg Phnom Sampeau, zu Deutsch „Schiffsberg“ – da er die Form eines Schiffes hat – dem grausamen Regime der Roten Khmer unter Pol Pot. Während dieser Schreckensherrschaft, die in Kambodscha lediglich von 1975 bis 1979 ihren Höhepunkt hatte, wurde jeder vierte Kambodschaner Opfer eines Systems, das aus wahn- und aberwitzigen Ideen erwuchs und die Idee des Aufbaus eines Agrarkommunistischen Staates verfolgte. Da die Guerillabewegung der Roten Khmer, deren Name sich von den Khmer, einer bevölkerungsmehrheitlichen Ethnie in Kambodscha ableitete, bei der Bekämpfung ihrer Feinde (im Wesentlichen der eigenen kambodschanischen Bevölkerung – der Bildungselite des Landes und Bewohnern von Städten) Munition sparen wollten, wurden diese oftmals mit Macheten getötet oder einfach in Höhlen zu Tode gestürzt.
Es ist ein bedrückendes Erlebnis, einerseits die schöne, dschungelartige Natur zu durchwandern und den Phnom Sampeau zu erklimmen, um dann vor einem schlundartigen Höhleneingang zu stehen, in dem so viele unschuldige Menschen so grausam zu Tode gekommen sind. Und da die Bergung der sterblichen Überreste nicht möglich ist, haben sie dort auch ihre letzte Ruhe gefunden.
Das drückte natürlich auf die Stimmung… aber wir fingen uns doch recht schnell wieder und machten uns weiter daran, die Spitze des Berges zu erreichen, der mit etwa 800 Metern eher ein Hügelchen ist, sich in der kambodschanischen Flachlandschaft aber durchaus majestätisch erhebt.
Erreicht man den höchsten Punkt, findet man dort, neben einem buddhistischen Kloster, was von Horden kleiner, frecher Rhesusäffchen bevölkert wird, einen Aussichtspunkt. Von dort hat man einen spektakulären Blick auf die Landschaft aus umgebenden Reisfeldern und kann bei guter Sicht fast bis in’s 15km weit entfernte Battambang schauen.
Nach einer kurzen Verschnaufpause machten wir uns daran, den Kalkstein-Berg auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinabzusteigen. 700 Stufen lagen vor uns und die in den Bäumen über unseren Köpfen herumschaukelnden Affen machten den Weg zu einer wackeligen Angelegenheit, da wir ständig befürchteten, von den kleinen haarigen Gesellen überfallen und unserer Habseligkeiten beraubt zu werden.
Unten angekommen, ließen wir uns in einem der zahlreichen Straßenrestaurants nieder und bestellten uns ein Nudelsüppchen und ein Angkor zur Stärkung, denn das eigentliche Highlight des Tages lag noch vor uns. Unser Guide gesellte sich zu uns und wir unterhielten uns ein wenig, bevor wir an einer anderen Stelle des Geländes Station bezogen.
Wie viele weitere hunderte Schaulustige, machten wir es uns auf roten Plastikstühlen, direkt unterhalb der Öffnung der Bat Caves, gemütlich und warteten. Und warteten… und warteten…
Langsam wurden unsere Hälse steif, wie wir da so angestrengt nach oben starrten. Wir harrten einem allabendlich stattfindenden Naturschauspiel besonderer Güte. Nämlich dem Ausflug eines Schwarms an Freischwanzfledermäusen. In ganz Kambodscha leben etwa 6,5 Millionen dieser Tier und in Battambang befindet sich die größte Population dieser Nachtschwärmer.
Langsam aber sicher brach die Dämmerung über uns herein und obwohl wir schon fast dreißig Minuten angestrengt auf die Höhe starrten wollte sich nichts tun. Unser Guide hatte uns vorher erzählt, dass die Tiere eigentlich so gut wie immer die Höhle verlassen, aber es kann vorkommen, dass sie sich durch irgendetwas gestört fühlten und dementsprechend nicht herauskamen. Angesichts der vielen Menschen, die dem Schauspiel beiwohnen wollten, fragten wir uns, ob heute vielleicht so ein Nicht-Ausflug-Tag sein könnte.
Doch plötzlich kam Bewegung in die Sache. In der Höhe sah man erste Feldermäuse flattern. Erst nur vereinzelte, dann nach und nach immer mehr, bis es den Anschein hatte, als würde sich dort ein riesiger Strudel befinden, der sich immer schneller zu drehen begann.
Und dann ging es mit Brachialgewalt los… die Fledermäuse starteten zu ihrem nächtlichen Beutezug. Sie flogen aber nicht alle auf einmal heraus, sondern in einem nicht enden wollenden, gleichmäßigen Strom, der sich, ähnlich einer Perlenschnur, in den Nachthimmel ergoss. Was für ein Anblick!
Ich hatte überall Gänsehaut, sogar im Gesicht, und bekam den Mund nicht mehr zu. Die Fledermäuse, die an einem einzigen Abend auf den Reisfeldern der Umgebung zwischen 50 – 100% ihres eigenen Körpergewichtes an Insekten und Ungeziefer vertilgen, hörten nicht auf aus ihrer steinernen Behausung zu flattern. Wenn es jetzt noch von irgendwo eine dramatisch untermalenden Musik gegeben hätte, dann hätte ich vor lauter Begeisterung zu heulen angefangen.
Dies blieb zum Glück aus und so starrten wir gebannt und fasziniert auf die Tiere, die in schönster stromlinienförmiger Ordnung den Nachthimmel durchflatterten. Nach 20 Minuten war noch kein Ende in Sicht und wir bestiegen einen kleinen Hügel vor der Höhle, um noch näher an dem Ereignis zu sein.
Über uns zogen die Fledermäuse dahin und mir Stand die Klappe nach wie vor offen. Allerdings auch nur so lange, bis neben uns jemand sagte: „They pee when they come out. You better close your mouth“ (Die pinkeln, wenn sie rauskommen. Du machst besser den Mund zu.) Für den Bruchteil einer Sekunde verstand ich nicht, doch als mir bewusst wurde, dass ich eben noch gedacht hatte, dass es zu regnen beginnen würde, da ich irgendwelche Tropfen auf meinen Händen und Schultern gespürt zu haben glaubte, machte ich meine Luke reflexartig dicht. Kurz darauf später stiegen wir den Hügel wieder hinab. Nicht zuletzt auch, da es sehr intensiv zu müffeln begann und wir nicht länger im Piesel-Regen stehen wollten. Wir machten uns also auf die Suche nach unserem Guide.
Der Strom der Fledermäuse hatte, obwohl sie bereits vor 40 Minuten damit begonnen hatten, ihre Höhle zu verlassen, noch immer nicht an Intensität verloren. Der Schwarm in Battambang umfasst über 1 Million Tiere und der Ausflug kann weit über 1 Stunde dauern. So etwas erleben zu können ist einfach der Wahnsinn!
Nachdem wir Rita gefunden hatten, machten wir uns auf den Rückweg nach Battambang und wurden von Ihm nach einer erfrischenden Nachtfahrt wieder sicher im Hotel abgesetzt. Wir bedankten uns mit einem großzügigen Trinkgeld und verabschiedeten uns glücklich.
Dann packten wir im Hotel unsere Rucksäcke für die Fahrt nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, die für den nächsten Tag auf dem Plan stand und gingen noch etwas essen. Wir speisten in einem Restaurant, welches wir noch nicht getestet hatten und Basti bestellte sich, nach längerer Zeit der Abstinenz, einmal wieder ein grünes Curry. Das dies schwerwiegende Folgen haben würde, zeigte sich am Tag, kurz vor Beginn unserer Busfahrt nach Phnom Penh…