Indira Jones und der Tempel der Flashlights

Am Montag, 27.02.2017 schrillten unsere Wecker ganz besonders früh. 4:00 Uhr morgens, um genau zu sein.

Der Grund für diese senile Bettflucht lag begründet in dem Wunsch, dem Sonnenaufgang über Angkor Wat beizuwohnen.

Überraschend fit erhob ich mich von meinem gemütlichen Nachtlager und wir machten uns für den Abmarsch fertig. Um 4:30 standen wir, leicht fröstelnd, denn Morgenstund hat nicht nur Gold im Mund sondern auch in Kambodscha recht frische Temperaturen im Gepäck, vor unserem Hotel und warteten auf unseren Fahrer. Im Gegensatz zu uns überpünktlichen Deutschen ließ der sich aber etwas mehr Zeit mit seiner Ankunft und traf eine akademische Verspätungs-Viertelstunde später ein.

Mit enterten sein TukTuk, was eher einem Jahrmarkts-Karussell-Kähnen ähnelte, und fuhren los. Ich schlang mir nach wenigen Metern meinen Multifunktions-Sarong um die Schultern, um einer sich weiter ausdehnenden Gänsehaut vorzubeugen und war wieder einmal sehr glücklich über diesen Erwerb auf Koh Phagnan. Zum ersten Mal seit Wochen fror ich amtlich.

Auf der Landstraße reihten wir uns in eine schier endlose Karawane an TukTuks ein, die offensichtlich alle das gleiche Ziel hatten. Nach einem Kreisverkehr kamen uns aber plötzlich ebenso viele TukTuks auch wieder entgegen und wir befürchteten schon fast, einem betrügerischen Tour Anbieter aufgesessen zu sein, der uns an irgendeinem B-Tempel abwerfen würde, als wir an einem Gebäudekomplex ankamen, der sich als Ticketschalter für den Eintrittskartenerwerb nach Angkor Wat entpuppte.

Der Fahrer wartete vor dem Eingang auf uns, während wir uns in die noch relativ kurze Schlange vor den Schaltern einreihten. Es war Punkt 5 Uhr morgens und der Betrieb war gerade aufgenommen worden. Es stand eine immense Anzahl an Schaltern zur Verfügung – man war hier also auf Ansturm vorbereitet. Der Eintrittspreis betrug 36 Dollar für ein Tagesticket. Ein ordentlicher Batzen, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Preise am 01. Februar 2017 von 20 auf 36 Dollar hochgeschraubt wurden.

Wir hofften, dass der Großteil unseres touristischen Investments auch tatsächlich für die Instandhaltung dieser einzigartigen Bauwerke aufgewendet wird und zahlten. Dann mussten wir verschlafen in eine Webcam blinzeln, die ein Foto von uns schoss, was sich Sekunden später auf unseren persönlichen Tickets wiederfand.

Ich mag solche Fotos nicht, ich sehe darauf immer aus, als hätte mich Scottland Yard zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Aber egal… ich musste es ja lediglich diversen kambodschanische Kontrollposten vorzeigen und nicht zu meinem neuen Facebook-Profilfoto machen.

Die Tickets in der Tasche, wandten wir uns wieder gen Ausgang und mir stieg Kaffeeduft in die Nase. Basti beschwichtigte mich jedoch, dass es in Angkor Wat genug Möglichkeiten gäbe einen Kaffee zu bekommen, also gebot ich meinem Verlangen Einhalt und wir gingen nach draußen. Wir suchten unseren Fahrer und fuhren die Strecke, die wir soeben gekommen waren, bis zu besagtem Kreisverkehr wieder zurück und bogen schließlich – wie das Hinweisschilder verhieß – nach Angkor ab.

Die Zahl der TukTuks nahm weiterhin konstant zu – hier hatte man kaum eine Chance, sich zu verfahren. Die knatternden Gefährte hatten alle ein gemeinsames Ziel. Dies gab mir auch langsam einen entsprechenden Vorgeschmack auf die Situation vor Ort. Am Ziel unserer ersten Station angekommen, bestand ich auf Kaffee!

Die Budenbetreiber waren bereits in geschäftstüchtiger Stimmung und von allen Seiten wurden wir förmlich zusammen geschrien, dass wir doch bitte irgendetwas konsumieren sollten. „Coffee, Breakfast, Pancake, Bananaaaaaa – Come here, good food, cheap cheap, where are you from, trallalalaaa“. Meine Ohren pulsierten. Selbst zu späterer Stunden wäre dies schwer zu verkraften gewesen, um 05:30 Uhr war es für mich der Supergau der Reizüberflutung. Irgendwie schaffen wir es, uns einen Kaffee zu organisieren und ich freute mich, endlich aus diesem Händlertumult zu entfliehen und nippte glücklich an meinem Kaffee.

Den Bruchteil einer Sekunde später hätte ich ihn fast wieder ausgespuckt. Dieser Kaffee war der fieseste, den ich jemals in meinem ganzen bisherigen Leben zu mir genommen hatte. Darauf war ich nicht vorbereitet und meine Laune sank sofort auf den Normal Null, denn den investierten Dollar war das Gebräu keinesfalls wert. Er schmeckte im ersten Moment für mich, als hätte man anstelle eines Kaffeefilters das Haarnetz eines Fischbrötchenverkäufers benutzt. Außerdem war er so süß, dass einem beim Trinken fast die Zähne quietschten.

Einige angewiderte Gesichtsgrimassen später schaffte ich es, mir einzureden, dass das Zeug irgendwie nach Kakao schmeckte (den ich durchaus auch mit Inbrunst verabscheue), was das schwarze Elend für mich aber doch halbwegs trinkbar machte. Und die nächste „Enttäuschung“ wartete auch bereits in Reichweite. Alle Bilder, die ich bisher von Angkor Wat gesehen hatte, strahlten Ruhe und Besinnlichkeit aus. Und Leere…

Von den Heerscharen an Touristen, die sich gleich vor dem linksseitigen See vor der beeindruckenden Kulisse Angkor Wats tummeln würden, war da natürlich nichts zu sehen. So viele Selfie Sticks auf einen Haufen hatten wir noch nie zuvor in Action erlebt. Überall wurde damit im Himmel herumgestochert und es wirkte fast so, als würden die Besitzer am anderen Ende damit Gefechte um den besten Standplatz durchführen. Kleine Display schwebten über allen Köpfen und warteten auf den großen Moment und das Beste Motiv. Vor dem See herrschte ein Gedränge und Geschiebe, als würde in wenigen Minuten Angelina Jolie hinter Angkor Wat aufsteigen und die Sonne persönlich anknipsen. Quasi eine Art Oskar-Verleihung der Sonnenaufgänge.

Wir verkrümelten uns an den See auf der rechten Seite, wo es um einiges ruhiger zuging. Die meisten Touristen bleiben am ersten See kleben, da der daneben liegende nicht unmittelbar zu sehen ist. Das Fotomotiv ist jedoch genauso schön und man läuft nicht Gefahr, das Handy eines ungeübten Selfie-Stick Halters über den Kopf gezogen zu bekommen.

Die Wetterverhältnisse spielten einigermaßen mit und wir wohnten – so andächtig, wie es der Rummel zuließ – dem Spektakel bei. Auch wenn es ein wenig wie die Hölle des Massentourismus erscheinen mag, man muss es einfach gesehen haben. Der Augenblick, wenn die Sonne sich langsam hinter den Tempeln-Türmen Angkor Wats hervorschiebt und den Himmel immer weiter erklimmt ist einfach wunderschön; fast magisch. Scheuklappen zur partiellen Ausblendung Mitbestaunender hätten das Erlebnis noch etwas mehr abgerundet, aber für diese Exklusivität hatten wir nicht das entsprechende Reisebudget. Wir blieben lange vor dem Tempel sitzen und konnten uns erst losreißen, als sich unsere Mägen meldeten und nach Frühstück verlangten.

Wir mussten also zurück zu den Markschreiern. Ich war nach wie vor nicht bereit, mich diesem erneuten Zusammentreffen zu stellen. Aber wer essen will, muss Nervenstärke beweisen – zumindest an diesem beschaulichen (hüstel) Ort. Nachdem wir wieder minutenlang von diversen Anbietern freundlich angeschrien wurden, gaben wir den weniger ohrenbetäubenden Offerten von „Lady Gaga“ nach.

Die Frühstücksbuden vor Angkor Wat haben aus unerfindlichen Gründen alle sehr ausgefallene Namen, wie „James Bond“, „Mickey Mouse“, oder „Harry Potter“, usw. Lady Gaga servierte uns in Nullkommanichts einen wirklich phantastischen Pancake und da ich nicht noch einmal so einen Elendskaffee zu mir nehmen wollte, gab es zum runterspülen direkt mal – es ist ja schließlich Urlaub – ein kühles Dosen-Angkor. Um 08:37 Uhr hatte ich seit meinen etwas länger zurückliegenden Festival-Zeiten kein Bier mehr getrunken, aber nach dem schönen Sonnenaufgang und der langsam und sehr sicher heraufkriechenden Hitze hielten wir dies für überaus angemessen ;o)

Nach dem Frühstück nahmen wir den Haupttempel Angkors, das sich insgesamt auf einer Fläche von 200 qkm erstreckt, genauer unter die Lupe und begutachteten während der folgenden zwei Stunden nahezu jeden Stein, jedes Relief und jedes Eckchen dieses wahnsinnig beeindruckenden und zudem auch weltgrößten sakralen Bauwerkes des Khmer Königreiches aus dem 12 Jahrhundert.

Die Hitze nahm währenddessen immer weiter zu, was aber wenigstens zur Folge hatte, dass mein Rucksack leichter wurde, da ich permanent aus der mitgebrachten 1,5 Liter Wasserflasche nuckelte.

Da wir mit unserem Fahrer eine Zeit und einen Treffpunkt für die Fahrt zu nächsten Station vereinbar hatten, mussten wir uns irgendwann von Angkor Wat verabschieden.

Der nächste Tempel, den wir ansteuerten war der Angkor Thom mit dem Bayon – dem Staatstempel des Angkor Thom – der vor allem für seine meterhohen Türme bekannt ist, in die buddhistisch anmutende Gesichter gemeißelt sind.

Mittlerweile war es so heiß, dass ich meinen Panamahut, der durch seinen bisherigen Aufenthalt in meinem Rucksack aussah, als habe er schon gut sechs Monate Weltreise hinter sich, aus dem Daypack-Gefängnis befreite und mir nach einigen Entknautschungs-Bemühungen auf die bereits glühende Rübe zog. Am Tempel herrschte Jahrmarktstimmung; nicht zuletzt auch wegen der Elefanten, die gemütlich ihre Runden durch den nahegelegenen Dschungel zogen, während sie entzückte bis entrückte Touristen auf ihren breiten Rücken balancierten.

Direkt am Bayon befand sich der Elefantenparkplatz, wo die wilden Reiter über eine kleines Plateau – was von weitem wie eine Bademeistertürmchen wirkte – auf- und absteigen sowie die grauen Riesen gegen einen gewissen zusätzlichen Obolus auch füttern durften. Ich fragte mich, ob sich Elefanten ähnlich wie Hund verhielten und so lange alles in sich hineinstopften, was man ihnen vor die gierigen Rüssel hielt, bis sie platzen. Wir machten, mit einer gewissen Abscheu, einen großen Bogen um diese „Attraktion“.

Der Bayon ist, im direkten Vergleich zu Angkor Wat, ein nicht minder beeindruckendes Bauwerk und besticht zudem durch eine imponierende Anzahl zu erklimmender, steiler Stufen, wenn man die Aussicht von ganz oben genießen möchte. Wir wollten uns hier keinesfalls in Zurückhaltung üben, denn vor und hinter uns krauchten chinesische Touristinnen in unpassendem Absatz-Schuhwerk und engen Kleidchen, behangen mit unzähligen Tüchern und geschmückt mit riesigen Sonnenbrillen die Treppen hinauf und herab. Einige von ihnen sahen aus, als stünde ihnen der 80ste Geburtstag kurz bevor, also fühlten wir uns genötigt, möglichst frisch und unbeeindruckt – zwei Treppenstufen auf einmal nehmend – an ihnen vorbei zu hechten. Dies wurde mir, kaum oben angekommen, mit einem Schwitzanfall sintflutartigen Ausmaßes quittiert und ich beschloss, meinen jugendlichen Ehrgeiz auf Grund der Wetterverhältnisse auf eine kreislauf-kompatibleres Maß herunterzuschrauben.

Dem Bayon winkten wir nach etwa 40 Minuten Good bye und machten uns auf die Suche nach unserem Fahrer. Der hatte es sich zwischenzeitlich im Tuktuk in einer Hängematte gemütlich gemacht, die er an die Gestänge zwischen den Sitzplätzen gespannt hatte. Harter Job – alles in Allem ;o)

Wir düsten also weiter, legten einen mittlerweile dringend benötigten Toilettenstopp ein und nahmen die Fahrt wieder auf. Plötzlich kamen uns motorisierte Polizisten entgegen und tippten sich mehrfach – mit gezieltem Blick auf unseren Fahrer – an die Brust. Unser Fahrer wirkte plötzlich etwas nervös und uns fiel auf, dass alle anderen TukTuk-Fahrer – im Gegensatz zu dem unsrigen – braune Westen trugen. Die wurden interessanterweise nicht von den Polizisten „angesprochen“. Unsere Fahrt verlangsamte sich und schließlich kamen wir auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Der Grund unseres Stopps wurde uns von unserem Driver folgendermaßen erklärt: Weiter vorne befand sich wohl ein Kontrollpunkt der Polizei. Dieser Kontrollpunkt konnte nur gegen Zahlung einer gewissen Summe passiert werden. Also müssten wir warten, bis der Kontrollpunkt aufgelöst würde – dann dürften auch wir durch. Das Ganze sollte etwa 2 Stunden dauern. Wir waren, gelinde gesagt, entsetzt. Unser Fahrer war offensichtlich kein „Offizieller“, da er sich nicht in Besitz einer braunen Weste befand. Er fragte uns auch nicht, ob wir uns an den zusätzlichen finanziellen Aufwendungen beteiligen wollten, was uns nur noch mehr verwirrte. Er schlug uns also vor, uns zu einem anderen großartigen Tempel zu bringen, wo wir uns weitere 2 Stunden tummeln dürften.

Nach „tummeln“ war uns aber zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr zu Mute, da sich bereits eine gewisse „Gesteinsmüdigkeit“ bei uns eingestellt hatte. Wir verhandelten ihn auf 60 Minuten herunter, fuhren ein Stück des Weges zurück und er ließ und an einem Kreisverkehr aussteigen.

Die Anzahl der Kreisverkehre in Kambodscha ist bemerkenswert. Vermutlich hatten hier die Franzosen ihre verkehrsregulatorischen Finger im Spiel. Dies aber nur am Rande. Der Name des Tempels, zu dem wir uns dann schleppten, ist mit mittlerweile entfallen, denn er war nicht wirklich großartig. Groß ja, großartig eher weniger.

Wir suchten also – nach einer kurzen Begehung – ein schattiges Plätzchen. Dies fanden wir auf einem Haufen spitzer Steine unter Bäumen am Wegesrand. Zuerst saßen wir nur ölend und frustriert herum, bis sich einige Touristen in unsere Ecke verirrten, die wir interessiert beobachten konnten.

Die herumschlurfenden Besichtigenden wirkten mindestens so frisch wie altbackenes Toastbrot. Auch ihren Gesichtern waren die Strapazen des Tages bereits deutlich anzusehen. Immerhin war es bereits 12:30 Uhr und wir – wenn nicht auch sie – waren schon seit gut 8 Stunden auf den Beinen.

Die Temperaturen lagen bei gemütlichen 40 Grad im Schatten und mein Hut versuchte, sich dauerhaft mit meiner Kopfhaut zu verbinden. Trotzdem amüsierte uns unser steinerner Gaffer-Ausguck herausragend und mobilisierte schließlich unsere Kraftreserven derart, dass wir uns weiterbewegen konnten.

Wir erreichten eine Ansammlung von Restaurants und fanden es großartig, nicht durch Geschrei und Gezeter zu einem Besuch animiert zu werden. Wir suchten uns ein Plätzchen in der Mitte der Fressmeile und bestellten uns frische Frühlingsrollen und das obligatorische begleitende Angkor.

Zwischenzeitlich waren fast 2 Stunden vergangen und wir machten uns – ohne jegliches schlechtes Gewissen – auf die Suche nach unserem Fahrer, der uns bereits erwartete, uns aber auf Grund der Verspätung nicht böse war. Mehr Hängemattenzeit für ihn und wir waren auch wieder etwas fitter.

Wir nahmen also die letzte Station unseres Ausfluges in Angriff – den Ta Prom. Dieser Tempel – Schauplatz für den Film „Lara Croft Tomb Raider“ mit Angelina Jolie, die während der Dreharbeiten ihre Liebe zu Kambodscha entdeckte – nimmt im Reigen der Tempelanlagen Angkor Wats einen besonderen Stellenwert ein, da man sich entschloss, ihn in dem Zustand zu belassen, in dem man ihn vorfand.

Die Vegetation und die herabgefallenen Mauersteine wurden nur so weit entfernt und gesichert, dass es Besuchern möglich ist, die Anlage zu begehen. Besonders eindrucksvoll sind die Würgefeigen (Ficus virens) und die noch größeren Terameles nudiflora, deren Wurzeln ganze Gebäude überwachsen.

Mein Panamahut und ich waren in der sengenden Dauerhitze mittlerweile zu einer Einheit verschmolzen, was wohl auch bewirkte, dass ich mich mich mehr und mehr wie die kleine Schwester von Indiana Jones zu fühlen begann.

Indira Jones – aka Macpeg – kletterte über Wurzeln, schlich gebückt durch halb verfallenen Gänge, zwängte sich durch steinerne Durchgänge und rechnete hinter jeder Ecke mit riesigen rollenden Steinen oder Falltüren, die mit einem falschen Schritt ausgelöst werden und eine Grube mit nadel-spitzen Pfählen auftun konnten. Aber nichts dergleichen passierte. Vermutlich stand ich einfach nur kurz vor einem Hitzschlag.

Nach gut einer Stunde ließ unser Entdecker-Enthusiasmus auch deutlich nach und wir machten uns auf den Rückweg zu unserem Fahrer. Hätten wir den Tempel bis zum Ende durchschritten, wären wir übrigens in etwa 2 Kilometer Entfernung zum Haupteingang – an dem unser Fahrer wartete – herausgekommen. Diese Information hatte uns unser Hängemattenexperte aber natürlich vorenthalten.

Auf Nachfrage, wo sich denn der Ausgang befände, klärte man uns aber auf und so quetschten wir uns an den anderen Besuchern vorbei zurück auf dem Weg, den wir gekommen waren, um einen längeren, hitzigen Fußmarsch zurück zum Treffpunkt zu umgehen.

Um 14:30 Uhr lieferte uns unser Fahrer wieder in unserem Guesthouse ab. Während der Rückfahrt hatten wir unsere Augen bereits nur mit großer Mühe offen halten können und waren nun bereit für einen längeren Powernap. Was für ein Tag!

Irgendwie schafften wir es aber doch, uns abends noch einmal aufzuraffen und uns auf die Pubstreet zu begeben. Dort war es mindestens 48x mal so laut und schrill wie noch am Morgen auf der Frühstücksmeile vor Angkor Wat. Die Bars und Pubs versuchten sich gegenseitig mit Kirmestechno zu übertönen. Dazwischen tummelten sich umgebaute TukTuks, die mit lautester Musik und noch viel bunteren Cocktails nach Kundschaft suchten. Die unzähligen Straßenhändler boten hochinteressante Snacks in Form von Schlangen und Skorpionen am Spieß an. Andere hatten Käfer, Grillen und Taranteln zu riesigen Haufen auf ihren mobilen Snack-Wagen aufgetürmt.

Siam Ream Madness at Night!

Wir hielten das Getümmel noch bis etwa 01:00 Uhr nachts aus und machten uns glücklich und ein wenig gesteinigt auf den Heimweg. Uns stand ein sehr, sehr ruhiger nächster Tag bevor…

Vom fliegenden Spaghettimonster und tänzelnden Einhörnern…

Nach unserem, in jeder Hinsicht, herausfordernden Tag mit nahtodähnlichen Erfahrungen während unseres Hikes zum Paradise Beach und anschließender Durchquerung des Spinnenwaldes, sollte der folgende zunächst recht beschaulich verlaufen.

Nach einem Pancake-Frühstück bei La, einem sehr netten und lustigen Restaurantbesitzer, machte sich Basti auf den Weg nach Haad Rin, um unsere Rückreise nach Bangkok zu organisieren, da wir von dort aus am 26.02.17 einen Flug nach Siem Reap, Kambodscha gebucht hatten.

Ich legte mich zuerst etwas an den Strand, kümmerte mich dann um Steuerangelegenheiten (an einem Ort wie dem The Sanctuary ging mir dies sogar etwas leichter von der Hand als sonst zu Hause) und zog mich dann auf eine kleine, gemütliche Plattform mit Sofas und Sesseln im Inneren des Hauptgebäudes zurück, um meinen Blog zu schreiben. Seit Tagen waren wir schon um die Kuchentheke im The Sanctuary herumgeschlichen und hatten die Köstlichkeiten in der Auslage mit prüfenden und verlangensgeschwängerten Blicken beäugt. Da hier die meisten dem Verzehr von Nichts frönten, wunderten wir uns, dass das Angebot jeden Tag wechselte und fragten uns, ob die Belegschaft abends wohl alles aufessen müsse, was tagsüber nicht über den Tresen gegangen war. Dies war eine sehr weit hergeholte Mutmaßung, da sie rein äußerlich nicht den Eindruck vermittelten, als ob sie jeden Abend zum Kuchen-Resteessen genötigt würden.

Jedenfalls wollte ich an diesem Tag wissen, ob die Kuchen und Torten genau so lecker waren, wie sie es optisch versprachen und gab meinem tropfenden, süßen Zahn nach. Meine Wahl fiel auf eine Tiramisu-Torte. Ich bestellte mir noch einen Kaffee dazu, nahm diesen direkt mit und kletterte wieder auf mein gemütliches Kuschel-Plateau zurück und harrte der Bedienung, die mir die Torte kredenzen sollte. Die ließ sich Zeit… so lange, dass ich fast schon nachfragen wollte, ob man mich vergessen hätte. Ich wollte den langsam aber sicher erkaltenden Kaffee nicht ohne die Torte genießen und die Torte wiederum nicht ohne „ein Schälchen Heeßen“ (AdR: sächsischer Begriff für eine Tasse Bohnenkaffee ;o) essen.

Endlich kam der Kaffee und ich konnte loslegen. Und verdammte Axt… die Torte schmeckte zum Niederknien! Eine ausgezeichnete Investition ;o) Ich überlegte kurz, ob ich mir noch ein Stück bestellen sollte, um mich damit in’s Restaurant zu setzen und den darbenden Schönen und Schlanken gezielt ein bisschen was „vorzuessen“; entschied mich aber aus budgetären Gründen dagegen und schrieb weiter.

Gegen frühen Abend traf Basti, mit erfolgreichem Reise-Arrangement im Gepäck, wieder im The Sancturay ein und wir aßen gemeinsam. Von einer Dorm-Bewohnerin hatten wir gehört, dass abends wieder eine Party im Eden Garten steigen sollte. Da wir erst am übernächsten Tag abreisen würden, konnten wir uns durchaus den Gefahren eines weiteren drohenden „Changovers“ stellen und entschieden uns, den Festivitäten rund um elektronische Tanzmusik erneut beizuwohnen.

Da unsere Dorm-Kollegin eine recht aktive Feier-Maus zu sein schien, begannen wir, ihr ein wenig auf den Zahn zu fühlen, woran sich die beglückt wirkenden Feiernden denn sonst noch labten, da sie – wie wir ja bei unserer ersten Party schon festgestellt hatten – teilweise recht wenig Alkohol zu sich nahmen.

Sie ließ uns wissen, dass sie selbst keine Drogen konsumiere und keinen Alkohol tränke. Sie nannte uns aber einige „synthetische und naturbelassene“ Gründe für die partiellen Glückseligkeitszustände einiger Gäste. Für uns jeweils völlig uninteressant. Als sie allerdings „Magic Mushrooms“ erwähnte, wurden wir neugierig. Der Konsum, Besitz und speziell der Handel von und mit Marihuana und allen anderen synthetischen Drogen ist in Thailand streng verboten und wir teilweise drakonisch geahndet. Magic Mushrooms – also psychoaktive Pilze – sind hingegen legal und man kann Mushroom Shakes an fast jeder Straßenecke, in Bars, Clubs und teilweise sogar in Hostels bekommen.

Auf der Party, die recht gediegen und mit wenigen Gästen sehr entspannt gestartet war, überlegten wir einige Zeit hin und her, ob wir uns diesen Pilz-Spezial-Shake genehmigen sollten.

Ich hatte bis dahin keinerlei Erfahrungen mit Magic Mushrooms – schlichtweg aus Angst, dass aus einem guten, ganz schnell ein schlechter Trip werden könnte, den man selbst nicht steuern kann. Und dann hockt man womöglich sabbernd und mit viereckigen Augen da und kann nur abwarten, bis die pilz-induzierte Klapsmühle vorbei ist, oder man komplett Irre wird. Dies war natürlich in keinster Weise erstrebenswert.

Wir legten also einen kleinen Emergency-Plan fest. Zuerst einmal: wir teilen uns das Gesöff! Zweitens: Wir lassen es langsam angehen und schütten den Shake nicht sofort komplett in uns hinein. Wir trinken nur noch Wasser. Drittens: Wenn es einem von uns beiden schlecht geht, wird er vom jeweils anderen ohne viel Aufhebens von der Party entfernt und mit Geleitschutz in den Dorm bugsiert.

Mit Erhebung dieses Planes war unsere Entscheidung gefallen – heute Abend sollte es für uns „Spezial-Pilzsuppe“ geben. An der Bar versuchten wir dann, das Getränk – was, wie bei anderen Mushroom-Bars, auf der Karte nicht zu finden war – zu bestellen und wurden kopfschüttelnd abgewiesen. Wir schauten uns irritiert an und wussten nicht so recht, was nun zu tun war.

Wenige Augenblicke später kam eine andere Bedienung auf uns zu und fragte uns, ob wir einen Shake möchten. Vermutlich war er der Pilz-Misch-Meister des Ladens und musste erst herbeigerufen werden. Er schleppte uns mit an eine Bar im Außenbereich, die noch nicht von anderen Gästen frequentiert war und nahm – mit dem Rücken zu uns gewandt – sein Werk auf.

Er begann damit, eine Mango zu schälen, die wohl für den Fruchtanteil im Shake sorgen sollte. Als er sie kleingeschnitten und zusammen mit Eiswürfeln in den Mixer geworfen hatte, holte er eine große Tupperdose unter dem Tresen hervor und schaufelte daraus eine grau-braune, undefinierbare Masse in den Mixer und schaltete auf „ON“. Unter größerem Getöse mixte das Gerät alle Zutaten zu einer, zugegebenermaßen, unansehnlichen Masse zusammen, die uns in einem Plastikbecher mit Strohhalm kredenzt wurde.

Wir standen vor dem braunen, dickflüssigen Gesöff und ich bekam etwas weiche Knie. Aber die Entscheidung war gefallen und die Neugierde für einen Abbruch zu groß. Der erste Schluck schmeckte genauso, wie der Drink aussah: widerlich, muffig, braun eben. Durch die Mango und das Eis wurde der Genuss erträglich, aber auch das machte den Drink nicht zu einem kulinarischen Highlight…

Nach etwa 20 Minuten hatten wir gut die Hälfte des Shakes zu uns genommen. Bisher gab es keine Anzeichen drohenden Wahnsinns. Vielleicht konzentrierten wir uns noch zu sehr auf den ekelhaften Geschmack des Shakes, als das sich eine Wirkung entsprechen entfalten konnte.

Nach 30 Minuten hatten wir das Getränk komplett intus, tanzten und warteten. Plötzlich schaute mich Basti irritiert und fragend an und meinte, dass ich gestreift wäre und wo das denn her käme? Die Lightshow im Eden Garden zuckte inzwischen wilder als noch zu Beginn der Party und dementsprechend waren auf dem Dancefloor durchaus immer wieder farbige Streifen auszumachen. Ich versuchte, ihm dies entsprechend zu vermitteln, aber er schien skeptisch und beäugte mich ungläubig und amüsiert. Sicherlich waren dies die ersten Anzeichen einer Wirkung des Shakes. Bei mir tat weiterhin erst einmal nichts.

Doch dies sollte sich bald ändern. Eine weitere halbe Stunde verging und wir hielten uns, wie verabredet, an unser Getränk des Abends: Wasser.

Plötzlich stand es auf der Tanzfläche: ein leighaftiges Einhorn! Neben ihm wuselten noch zwei Kätzchen herum und wiegten sich im Takt der Musik. Das Einhorn glitzerte von Kopf bis Fuß, war mit Organzabändern und blinkendem Schmuck so reichlich behangen, dass es den Anschein machte, als hätte es Ali Babas Schatzkammer geplündert und schwebte mit großen, ausladenden Bewegungen über die Tanzfläche.

Diese Erscheinung war nach wie vor keine Auswirkung des Pilz-Misch-Getränks. Es war ein Typ, der sich tatsächlich als schillerndes Einhorn verkleidete hatte und mit seinen Tanz-Miezen (samt Fell-Öhrchen und Fell-Schwänzen) auf der Party eingeschwebt war. „Glamourös schräg“ beschreibt den Anblick wohl am Besten.

Diese optische Stimulanz wiederum sorgte bei uns für eine Art „Durchbruch“.

Wir hielten uns die Bäuche vor Lachen und konnten kaum nach Luft schnappen. Plötzlich war alles und jeder um uns herum Grund für grenzenloses Amüsement.

Die neonfarbenen Malereien an der Bar begannen, ein Eigenleben zu entwickeln, die zuckenden Blitze der Lichtanlage verwandelten sich in Schmetterlinge und tänzelten über den Partygästen herum. Wir schauten gebannt und mit breitestem Grinsen (manchmal erschien es mir, als würden sich meine Mundwinkel am Hinterkopf berühren…) umher und sobald wir uns wieder ansahen brachen wir von Neuem in schallendes und tränentreibendes Gelächter aus.

Nach etwa einer Stunde wurde uns das zunehmende Gewimmel auf der Tanzfläche zu groß und unsere anhaltenden Lachflashs etwas unheimlich und wir verkrümelten uns auf die außenliegende Freifläche – mit Blick auf das tosende Meer, was sich an riesigen, im Wasser liegenden Steinen brach.

Basti begann in den Himmel zu starren und berichtete mir sogleich von seinen Entdeckungen: Wolken, die sich als Sterne verkleidet hatte und miteinander tanzten. Ich klärte Ihn darüber auf, dass das, was er da sah keine Wolken waren, sondern das fliegende Spaghettimonster, was mit seinen Tentakeln den gesamten Himmel überzog. Er wollte sich davon nicht überzeugen lassen, also wandte ich meinen Blick auf die Steine im Meer… die waren allerdings nicht mehr da.

Dafür lag dort aber eine Familien an riesigen Flusspferden, die sich schnaubend von der Brandung umspülen ließen. Gleich daneben entdeckte ich noch einen monströsen Tintenfisch, der versuchte, einen angespülten Blauwal zurück in`s Wasser zu bugsieren, da sich dieser etwas unglücklich auf dem Strand festgefahren hatte.

Basti erkannte inzwischen an den Umrissen der Berglandschaft oberhalb der gegenüberliegenden Bucht, dass dort ein Krokodil liegen müsste. Nur die Lichter unter dem Krokodil konnte er sich nicht erklären. Ich mutmaßte, dass das Krokodil das dortige Dorf verschluckt haben müsste und jetzt saßen die Bewohner im Inneren des Krokodils und warteten geduldig auf Verdauung.

Basti warf einen neuen Denkansatz in die Runde, indem er den Film „The Wolf of Wallstreet“ erwähnte und die Szene, in der der Hauptprotagonist so derart mit Drogen vollgepumpt ist, dass er seinen schicken Sportflitzer nach einer kurzen Fahrt für sicher geparkt vor seinem Anwesen erachtet. Wer den Film kennt, weiß, dass dem nicht so ist. Dies wiederum veranlasst uns nun den ganzen weiteren Abend immer mal wieder unvermittelt „Wir sind das Auto“ zu kreischen und uns immer wieder auf‘s Neue darüber kaputt zu lachen.

Was, wenn es uns am nächsten Tag genau so erging, wie dem Hauptdarsteller des Films? Vielleicht wachten wir irgendwo im Nirgendwo auf, verbeult, orientierungslos, verwirrt und nur das Horn des Einhorns zu unserer Verteidigung in der Tasche? Wieder lachten wir uns krumm.

Das Spielchen ging noch eine ganze Weile so weiter, bis sich etwas Entspannung für unsere Lach- und Bauchmuskeln einstellte und wir uns unter mehr oder weniger dezenten „Wir sind das Auto“-Rufen auf den Rückweg zu unserem Dorm machten. Dort stellten wir fest, dass es bereits 4:30 Uhr war und legten uns, immer noch kichern und giggelnd, schlafen.

Am nächsten Morgen erwachten wir gegen 10:00 Uhr frisch wie der Morgentau. Dank eingehaltener Alkoholabstinenz ging es uns prächtig und es war kein Hangover weit und breit in Sicht. Wir hatten also Glück und einen wirklich phantastischen und unglauglich lustigen Abend gehabt. An diesem Tag machten wir noch eine kleine Wanderung zum benachbarten Haad Yuan und packten am Abend unsere Rucksäcke, um am nächsten Morgen, nach fast einer Woche, dem The Sacntuary den Rücken zu kehren.

Wenn mich jetzt jemand fragen würde, ob ich es noch einmal machen würde, würde ich diese Frage allerdings mit einem klaren „Nein“ beantworten.

Warum? Nach unserer Abreise aus dem The Sanctuary, zwei ruhige und sehr entspannte Tage später, machten wir erneut im Shenanigans in Haad Rien Station, bevor es zurück nach Bangkok und weiter nach Kambodscha gehen sollte. Dort traf ich einen Kanadier, dem ich von unserem kleinen Pilzerlebnis berichtete. Er hatte damit auch bereits in Thailand seine Erfahrungen gesammelt und meinte, dass 5 von 6 Trips phantastisch gewesen seien. Was also war ihm bei seiner 6ten Experience widerfahren? Er erzählte mir, dass es erst einmal sehr gut gelaufen sei und er bis zu einem gewissen Punkt keinerlei Unterschied zu den anderen Malen des Konsums hätte feststellen können. Aber ab einem gewissen Punkt wurde er von jetzt auf gleich blind. Zwar „nur“ für 10 – 15 Minuten, aber dies war für Ihn so eine einschneidende und erschreckende Erfahrung, dass er von weiteren Experimenten dieser Art künftig absehen würde.

Für mich als Brillenträger ist es schon furchtbar genug, wenn ich morgens nach dem Aufstehen meine Brille nicht finden kann, also werde ich mich einem Risiko einer drohenden temporären Erblindung sicherlich nicht aussetzen. So vernünftig bin ich auf meine alten Tage dann doch und gehe künftig lieber in den Wald, um mir Pilze zu suchen, die man ohne jedwede Nebenwirkung genießen kann.

Die schmecken dann in jedem Fall auch viel besser!

PS: Ob diese Geschichte wirklich so passiert ist und ob es sich bei den bepilzten Schlüsselfiguren tatsächlich um Basti und mich handelte, tja… das überlassen wir einfach eurer Phantasie ;o)