Gebeutelt in Phnom Penh…

Der frühe Morgen des 04.03. hielt für Basti eine böse Überraschung bereit. Eigentlich sah man ihm sein Elend nicht an, was wohl durchaus der bisher erreichten Bräunungsstufe zuzuschreiben war. Das änderte aber nichts daran, dass er sich vor Bauchkrämpfen krümmte und elendig vor sich hin röchelte, als wir uns zur Abfahrtsstelle unseres Busses nach Phnom Penh aufmachten.

Eine Handvoll Imodium Akut sicherte ihn gegen ungewollte Darmaktivitäten während unseres mehrstündigen Transfers ab – ob ihn das auch vor einer oralen Entleerung bewahren würde, sollte sich erst noch zeigen. Plastik-Tüten, proaktiv gesammelt, hatten wir vorsichtshalber in rauen Mengen am Start. Unser Bus – der natürlich keine Toilette an Bord hatte und somit die Schweißperlen-Parade auf Bastis Stirn noch zusätzlich verstärkte, war im vorderen Teil gut gefüllt. Wir verkrümelten uns also auf die hinteren Sitzplätze in Achsennähe.

Hier war es nicht nur besonders „hopsig“, sondern, dank der Nähe zum Motor, von unten her auch ausgesprochen un-kuschelig heiß. Von oben brüllte uns die Klimaanlage zum Ausgleich eiskalte Luft entgegen. Alles nicht zuträglich für den ohnehin schon gebeutelten Patienten.

Wenigstens hatten wir hinten Platz, sodass wir jeweils zwei Doppelsitze für uns allein beanspruchen konnten und Basti fiel dankbarerweise schnell in einen, wenn auch unruhigen, Schlaf. Ich musste mich also mit mir selbst beschäftigen, schrieb etwas und glotzte ansonsten semi-interessiert aus dem Fenster und begutachtete die staubtrockene Landschaft.

Jeder Stopp des Busses brachte eine willkommene Abwechslung und gab mir Gelegenheit, die interessanten Snackvarianten, unter anderem bestehend aus grünen Eiern am Stiel, die auf einem Grill vor sich hin schmurgelten, in Augenschein zu nehmen. Probieren wollte ich nichts der sonderbaren Angebote. Statt dessen hielt ich mich an das, was keine Magenverrenkungen verursachte – Bier. Meine allzeit sichere Nahrungs-Ergänzungs-Bank.

Um 9:30 Uhr waren wir aus Battambang gestartet und weitestgehend durch spärlich besiedeltes Ödland gefahren. Gegen 16:00 Uhr wichen die ausgedörrten Landschaften langsam aber sicher immer größer werdenden Ansammlungen von Häusern und Geschäften – die Ankunft in Phnom Penh ließ sich also entsprechend erahnen.

Um 17:00 Uhr erreichten wir dann auch den Busbahnhof von Phnom Penh und Basti erwachte ebenfalls aus seiner schlaftrunkenen Lethargie. Spätestens, als wie gewohnt Horden von Taxifahrern auf uns zuströmten und uns als Fahrgäste gewinnen wollten, war er fast ganz wach, aber nach der Elendsfahrt natürlich weniger gut gelaunt.

Wir verhandelten also nicht lange herum und gaben dem, der am wenigsten an uns herumzerrte, den Zuschlag für den Fahrauftrag. Interessantes Detail übrigens an dieser Stelle: Die Fahrer schnappten sich stets zuerst Bastis Rucksack. Ich durfte meinen eigentlich immer selbst tragen. Allerdings gab ich ihn so oder so nicht gerne aus der Hand und es machte mir nichts aus, ihn selbst zu den Taxis, oder TukTuks zu schleifen. „Ladys First“ war aber offensichtlich weder in Thailand noch in Kambodscha eine gängige Devise. Hier hatte wohl der Mann noch die Hosen anzuhaben und das Geld in der Tasche. Wenn wir zum Beispiel irgendwo eine Rechnung anforderten, dann wurde diese immer Basti unter die Nase gehalten. Legte ich das Geld in den Umschlag, kam dieser mit entsprechendem Wechselgeld natürlich nicht zurück zu mir – sondern zu Basti. Und obwohl ich meistens diejenige war, die ein Bier bestellt und Basti einen Fruchtshake, war mit schlafwandlerischer Sicherheit davon auszugehen, dass die Getränke entsprechend falsch serviert wurden. Schon lustig, dass dies zu Hause mittlerweile durchaus anders ist ;o)

Unser Hostel war glücklicherweise nicht besonders weit vom Busbahnhof entfernt und so dauerte die Fahrt nur etwas über 10 Minuten und wir standen vorm Onederz Hostel, das vor zwei Monaten gerade neu eröffnet hatte.

Wir hatten zwei Betten im 12er Dorm gebucht und man zeigte uns diese in der dritten Etage. Die Betten befanden sich direkt hinter dem Eingang des Dorms – nicht optimal also – und uns vielen sofort zwei freie Betten an der schönen, großen Fensterfront auf. Wir fragten also den Servicemitarbeiter, der uns das Zimmer zeigte, sofort, ob ein Wechsel möglich wäre. Basti wollte sich verständlicherweise nicht mehr bewegen und so ging ich wieder an die Rezeption und fädelte den Umzugsdeal ein.

So bezogen wir also final ein Doppelstockbett in erster Reihe zum Panoramafenster – Basti unten, ich oben – mit einem herrlichen Ausblick direkt auf den Mekong.

Mit dem Hostel hatten wir einen Volltreffer gelandet. Das Personal war unheimlich freundlich und hilfsbereit, die Betten ultrage-mütlich, es gab große Schließfächer und blitzsaubere und schön gestaltete Gemeinschaftsbäder mit sensationellen Regenwaldduschen. Der Gemeinschaftsraum mit Sitzsäcken und einem monströs großen Fernseher mit Netflix Anschluss war ebenfalls sehr einladend auf einer Zwischenebene zwischen Rezeption und den darüber liegenden Zimmern angelegt. Später entdeckte ich noch eine Dachterrasse, mit tollem Ausblick, auf der wir meistens alleine abhängen konnten, da diese nirgends ausgeschildert war. Wer also irgendwann einmal in Phnom Penh sein sollte, und Lust auf ein schönes Dorm-Bett in einem schicken, modernen Hostel haben sollte, dem sei das Onederz sehr an’s Herz gelegt.

Patient Basti fühlte sich nach der anstrengenden Busfahrt nach wie vor nicht besser und sollte sich direkt nach unserer Ankunft in seinem Bett zusammen. Mir knurrte dagegen mittlerweile ziemlich der Magen und ich erkundigte mich an der Rezeption, ob es in der Nähe etwas Empfehlenswertes gäbe. Als ich das Wort „Night Market“ hörte, war die Entscheidung auch sofort gefallen – zudem sich dieser auch noch in 5-minütiger Laufweite direkt um die Ecke befand.

Bei Ankunft am Night Market war ich zuerst etwas enttäuscht, da die Reihen der aufgebauten Geschäfte zuerst nur aus mönströser Unterwäsche für die Kambodschanerin ab 50 zu bestehen schien. Daneben gab es noch mehr oder weniger authentisch gefälschte Chanel und Gucci Taschen und Sonnenbrillen jeglicher Allerweltsmarken sowie diversen Nippes und gerahmte Insekten.

In der Mitte des Marktes war eine riesige Bühne aufgebaut, auf der sich ein einsames Gesangstalent die Seele aus dem Leib performte. Vor der Bühne standen – natürlich in größtmöglichem Sicherheitsabstand – etwa 8 Leute und begutachteten die Bemühungen des angehenden Schlagerstars. Als ich dieses Spektakel passiert hatte, wurde es interessant.

Auf der Fläche eines mittelgroßen Fußballfeldes war der blanke Asphalt mit Bastteppichen ausgelegt auf denen sich schmatzende und lachende Menschen tummelten. Die Teppichfläche war umgeben mit Essenständen auf den sich die leckersten Dinge auftürmten. Das Angebot was so groß und unüberschaubar, dass ich mich nach einigen Anläufen schließlich für eine Hühnersuppe entschied. Wenig exotisch zwar, aber da weiß man, was man bekommt.

Ich bestellte und machte es mir auf einem freien Plätzchen inmitten der Teppichlandschaft im Schneidersitz gemütlich. Der Boden war von der Hitze des Tages so erwärmt worden, dass es den Anschein hatte, man würde auf einer Fußbodenheizung sitzen. Schließlich wurde mir meine Suppe gebracht und ich fragte mich ernsthaft, wie die vielen verschiedenen Restaurantbetreiber es in diesem Getümmel schafften, den Überblick über ihre Gäste zu behalten. Hier waren mit Sicherheit einige Kambodschaner im Service beschäftigt, die mit einem photographischen Gedächtnis gesegnet waren. Faszinierend!

Die Suppe dampfte und duftete herrlich vor sich hin. Ich schnappte mir ein frisches Paar Stäbchen und untersuchte den Inhalt genauer. Das Schöne an der asiatischen Küche ist – zumindest ist dies meine Meinung – dass nicht nur die Filetstückchen in das Essen wandern, sondern auch der ganze Rest, der nun einmal natürlicherweise zu so einem Tier gehört, entsprechend verarbeitet wird. Aus dem Inneren der Suppenschale förderte ich nach und nach gefleischte Knochen zu Tage, die es sorgfältig abzunagen galt. Auch Innereinen fanden sich bei tieferer Suppenschürfung in Form von Leber und Teilen von Hühnermägen. Außerdem quadratische rote Stückchen, die entweder einmal eine Lunge gewesen waren oder sonstiges gepresste Blutpampe darstellten. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn ich auch noch einen Hühnerhals herausgefischt hätte – ich hätte ihn selbstverständlich gewürdigt und von seiner fleischigen Hülle befreit. Irgendwie finde ich, dass dies dem Tier, was zu meinem „Vergnügen“ im Topf gelandet ist, Respekt zollt.

Ich mochte als Kind schon Innereine und daran hat sich bis heute – trotz BSE und Vogelgrippe – eigentlich auch nichts geändert. Ich esse sie nur, aus eben diesen Gründen, nicht mehr besonders häufig.

Was ich allerdings immer dann esse sobald es meinen Weg kreuzt ist Zuckerwatte. Zum Nachtisch gönnte ich mir also die kambodschanische Variante und konnte keinerlei Unterschied zu den bisher mir bekannten europäischen Ausführungen feststellen. Ich wusste es durchaus zu schätzen, diesen vertrauten Geschmack zu erhalten und nicht etwa eine Note von Chilli, Lemongras oder Koriander zu erschmecken. Bei Zuckerwatte hab ich’s sehr gerne traditionell.

Nach diesen kulinarischen Highlights ging ich zurück in’s Hostel und nach einem kurzen Check up bei Patient Basti ließ ich mich noch etwas auf der Dachterrasse nieder und entspannte Angkor-seeling mit Blick auf den Mekong.

Am nächsten Morgen war Basti wieder ganz hergestellt und mir ging es nach einer ruhigen Nacht in einem herrlich gemütlichen Bett ebenfalls hervorragend. Das Frühstück im Hostel stellte direkt ein weiteres Highlight dar, denn dort gab meine geliebten Fluffy-Pankaces und nicht das flache Plinsen-Substitut zubereitet und serviert wurden.

So gestärkt machten wir uns zu Fuß daran, die Stadt genauer unter die Lupe zu nehmen. Heiß war es natürlich auch hier und die Luftfeuchtigkeit ließ und nach wenigen Metern schon wieder schwitzen, wie nach einem Marathon. Aber irgendwie gewöhnt man sich daran. Zumal ALLE um einen herum am ölen sind ;o) Unsere erste Station erreichten wir nach etwa 20 Minuten Fußweg: den Zentralmarkt oder auch Phsar Thmei, was in der Khmer Sprache „Neuer Markt“ bedeutet.

Dieses Gebäude, was im Stil des Art Déco errichtet ist, wurde von 1935 bis 1937 von zwei französischen Architekten erbaut. Das zentrale Herzstück bildet eine 25 Meter hohe Kuppel, von der 4 jeweils 44 Meter lange Arme in alle Himmelsrichtungen abzweigen. Handel wird hier mit allen möglichen Alltagsgütern wie Stoffen, DVD’s, Sonnenbrillen und Spielzeug, Fake-Handtaschen und Klamotten betrieben.

Am beeindruckendsten fand ich jedoch das Angebot an frischen Früchten, Fleisch und Fisch, Blumen und allen möglichen Snacks. Es gehen einem schier die Augen über angesichts der herrlichen Farben, Formen und Gerüche und dem endlos scheinenden Angebot der Garküchen, die sich im überdachten Inneren der Seitenarme des Zentralmarktes tummeln.

Hier aßen wir auch direkt zu Mittag und der Oktopus, den ich mir zur Feier des Tages bestellt hatte und der direkt neben uns auf dem Grill landetet, schmeckte schlichtweg sensationell und war butterzart.

Die nächste Station unserer Erkundungstour erhob sich nach kurzem Fußmarsch in der lodernden Mittags-Glut vor uns auf einem 27 Meter hohen, künstlich angelegten Hügel. Das spirituelle Zentrum Phnom Penhs, der Wat Phnom, ist mit seinen vielen Statuen und Schreinen und den riesigen Bäumen und hübsch angelegten Schlenderwegen, ein sehr sehenswertes buddhistisches Bauwerk.

In einem der kleineren Tempel entdeckten wir, neben den üblichen Opfergaben an Geldscheinen (echten und kopierten), Räucherstäbchen, Lotosblumen und Früchten sogar ein ganzes Spanferkel! Da bat wohl jemand mit Nachdruck um einen ganz besonders vollen Teller.

In den Bäumen um den Wat Phnom herum erspähten wir auch einige riesige Flughunde, die kopfüber von den Ästen baumelten und sich sonnten – wohlgemerkt inmitten der Stadt!

Nach unserer erfolgreichen Erkundungstour erfrischten wir uns im Hostel mit einem ausgedehnten Nachmittagsnap, um uns am Abend erneut auf den Weg zu machen. Ziel unseres Streifzuges war die Bassac Lane, ein kleines, aber sehr feines Ausgehviertel, was aus vielen unterschiedlichen Bars zusammengewürftel ist, die westlichen Ansprüchen in keinster Weise nachstehen. Hippe Hippsterhangouts mit Kunstcharakter sozusagen.

Den Weg dorthin bestritten wir zu Fuß; vorbei am Independent Monument, welches im Stil der neuen Khmer Architektur in lotosblütenförmiger Art einer Stupa zu Gedenken der Unabhängigkeit Kambodschas von den Franzosen 1953 errichtet wurde. Nach diesem ca. 40 minütigen, und auch des Nächtens noch immer schweißtreibenden, Spaziergang hatten wir uns einen guten Cocktail redlich verdient. Bei herrlichem Vollmond und einer schönen Aussicht über die Stadt schmeckte dieser gleich doppelt so gut. Leider waren die schicken Bars nicht sonderlich belebt, was uns relativ zügig veranlasste, den Rückweg anzutreten. Diesmal gönnten wir uns für diesen auch ein TukTuk, da wir einfach zu kaputt für einen neuerlichen Fußmarsch waren.

Für Montag, den 06.03. stand – nach einem neuerlichen Pancake Frühstück – wieder Kultur auf dem Plan. Wir wollten das Genozid Museum Tuol Sleng, auch bekannt unter der Bezeichnung S21, besuchen. Die Killing Fields, welche sich ebenfalls in Phnom Penh befinden, hatten wir nicht auf dem Plan, aber das Museum wollten wir uns nicht entgehen lassen.

Eigentlich gingen wir davon aus, dass es sich außerhalb der Stadt befinden würde und nicht, wie sich herausstellte, mitten darin. Das Gebäude steht inmitten eines Wohngebietes und ist von einer Mauer umgeben, die am oberen Ende zusätzlich mit Stacheldraht bewehrt ist. Die Mauer wurde erst errichtet, als das S21 seiner grausamen, zweiten Bestimmung – einem geheimen Foltergefängnis der Roten Khmer, während deren Schreckensherrschaft von 1975 bis 1979 – zugeführt wurde.

Um besser verstehen zu können, was dort vor sich gegangen war, nahmen wir uns einen deutschen Audioguide und verbrachten die nächsten drei Stunden damit, Geschichten von Überlebenden und Erzählern zu lauschen, die dieses furchtbare Kapitel der Khmer beleuchtete und unter der Herrschaft von Pol Pot jeden 4 Kambodschaner zu Tode kommen ließ.

Bis heute ist es nur schwer zu begreifen, wie sich der Hass und die Verblendung einer Diktatur gezielt gegen das eigene Volk richten kann und die Vernichtung von Andersdenkenden, Intellektuellen und einfach modernen Menschen zum Ziel hat. Dieser kurze Zeitraum – gerade einmal 4 Jahre – katapultierten ein blühendes, aufstrebendes Kambodscha in die Steinzeit zurück. Die Folgen sind bis heute spürbar. Aber die Kambodschaner haben ihren Lebensmut und -willen nicht verloren. Auch das spürt man und das gibt allen Hoffnung.

Nach diesem durchaus schockierenden (aber in jedem Fall empfehlenswerten) Besuch mussten wir uns erst einmal ein wenig sammeln. Wir schlenderten etwas ziellos umher, bis wir an einem Hostel ankamen, dass uns an der Eingangstür seine Rooftop-Bar mit Pool anpries. Genau das richtige, um ein wenig abzuschalten.

Vor der Tür kamen wir mit einem deutschen Pärchen in’s Gespräch, was uns, unter Aufbietung aller Handelskunst, unbedingt ihre „Tigerlili“, ein ziemlich abgerocktes, aber durchaus fahrtüchtig wirkendes Motorrad, verkaufen wollten. Ich habe ja bereits des Öfteren über Bastis und meine zittrigen Moped-Ausflüge berichtet, dementsprechend bissen sich die beiden sehr erfolgreich die Zähne an uns aus. Aber wir hatten ein nettes Gespräch und verabschiedeten uns, mit dem Versprechen, einen Aushang zum Verkauf ihrer „Tigerlili“ in unserem Hostel zu platzieren, was wir später auch pflichtbewusst taten. Allerdings erst, nachdem wir in der Rooftopbar etwas enttäuscht feststellen musste, dass man mit der Bezeichnung „Pool“ wohl etwas vollkommen anderes, als ein klassisches Schwimmbad in kleiner Ausführung, gemeint haben musste. Wir entdeckten noch nicht mal ein Plantschbecken, tranken aber trotzdem ein Bierchen zur Entspannung und ärgerten uns nicht, auf diesen billigen „Nepper, Schlepper, Tourifänger“-Trick hereingefallen zu sein.

Abends gingen wir wieder auf den Night Market, um uns durch das Angebot lokaler Köstlichkeiten zu futtern. Zum Dessert orderte ich mir von einem Obsthändler eine „Bunte Tüte“ mit mehr oder weniger ominös aussehenden Früchten.

Auf der Dachterrasse unseres Hostels musste ich dann feststellen, dass lediglich 50 Prozent davon auch genießbar waren. Einige Früchte schmeckten herrlich süß, knackig, ein wenig säuerlich, ganz wunderbar. Die andere Hälfte bot Konsistenzen von nicht essbarer Holzigkeit bis hin zu Säure-Attacken, die meine Gesichtszüge entgleisen lassen. Das mitgelieferte Pülverchen war keine Hilfe, da es – wie ich zuerst vermutet hatte – kein Zucker, sondern Salz mit Chilli war. Aber an der Hälfte der Früchte hatte ich durchaus mein Vergnügen, also betrachtete ich die Investition von 2 Dollar als absolut angemessen für diese fruchtigen Feldtest.

Der folgende Tag stand ganz im Zeichen diverser Schönheitsreparaturen. Mein Tagesrucksack, ein ultralight Raumwunder von Osprey, den mir eine liebe Freundin kurz vor meiner Abreise ganz überraschend zum Geschenk gemacht hatte und den ich seitdem heiß und innig liebte, hatte bereits, auf Grund der teilweise durchaus strapaziösen Reisetätigkeit, zwei kleine Risse genau dort abbekommen, wo er gerne einmal Kontakt mit diversen Untergründen aufnehmen musste.

Ich wollte keine weiteren Beschädigungen riskieren, also musste eine Wunderwaffe zur Reparatur her. Basti und ich gingen im Ausland nicht nur gerne in Supermärkte, wir zeigten uns auch interessiert an internationalen Baumärkten. In Phnom Penh fanden wir nach einem Streifzug durch diverse Lampenläden und Geschäfte mit Malerbedarf auch einen entsprechenden Dealer für Handwerksbedarf und erkundigten uns beim Verkaufspersonal, ob man hier auch das führte, was bekanntlich die Welt im Inneren Zusammenhält: Gaffa-Tape!

Alles hatte man im Angebot: Malerkrep, Isolierband, Klebeband, Packband… aber kein Gaffa. Irgendwann kamen wir auf die Idee, dass man dieses bewährte Klebematerial im Ausland unter Umständen unter einer anderen Bezeichnung führen könnte, da stießen wir auch endlich auf das Produkt unseres Begehrens. Tatsächlich erinnerte ich mich auch in dem Moment, in dem wir es erspähten, dass man Gaffa auf internationaler Basis nicht Gaffa, sondern DUCT Tape nennt.

Der Preis war übrigens auch ganz international und mit fast 7 Euro pro Rolle sicherlich kein Schnäppchen. Etwas besonders ausgefallenes hatte das Tape allerdings: ein herrliches Muster. Die Grundfarbe war ein heller Grünton und auf dieser Grundierung tummelten sich lustige Comic-Gürkchen, die mit Sprechblaser versehen waren, welche „Dill with it“ verlauten ließen. Wir mussten es haben!

Nicht nur, weil es meinen Rucksack erfolgreich von weiteren Beschädigungen bewahren würde, sondern weil es einfach das sensationellste Gaffa-Tape war, was wir jemals erblickt hatten. Basti und ich teilten und die Kosten und verließen glücklich den Baumarkt.

Der nächste Punkt auf unserer To Do Liste: ein Haarschnitt für Basti. Sein Pony versuchte während der letzten Tage bereits, ein gewisses Eigenleben zu entwickeln und sich in seinem Gesicht auszubreiten, also musste entsprechend Abhilfe geschaffen werden. Nachdem wir einen lokalen Choiffeur ausfindig gemacht hatten und dieser ihm zuerst einen der bekannteren David-Beckham-Schnitte mit längerem Deckhaar schmackhaft machen wollte (er hatte im Hinterzimmer wohl bereits die Extension für willige Kunden bereitliegen), blieb es dann doch bei der bewährten Variante „Hinten-Vorne-Seiten-Kurz und die Kopfhaut soll nicht durchscheinen“.

Danach hatten wir uns einen „Feel-Good-Cafe“ in gleichnamigem Etablissement verdient und verkrümelten uns später auf „unsere“ Dachterrasse in „unserem“ Hostel mit Blick auf „unseren“ Mekong, um den Tag vor unserer Abreise nach Kratie zu beenden.

Phnom Penh ist wirklich eine tolle und beeindruckende Stadt. Allerdings sind das hohe, lärmende Verkehrsaufkommen und die damit einhergehende Luftverschmutzung Dinge, die man weniger vermisst, sobald man ihr den Rücken kehrt.

Also machten wir uns am nächsten Tag in eine Region mit weniger Chancen auf Atemwegserkrankungen auf: Kratie, im Osten Kambodschas.

Und hier erwartete uns – im Gegensatz zum pulsierenden Großstadtleben – ein nahezu eremitisches Dasein zwischen Kühen, Katzenbabies und Gottesanbeterinnen. Aber dazu an anderer Stelle mehr!

Besuch beim IT-Mönch und wie es sich anfühlt, von Fledermäusen angepinkelt zu werden…

Für Donnerstag, 02.03. 2017 hatten wir den Plan gefasst, uns einmal wieder einen fahrbaren Untersatz zu besorgen, um die Stadt besser erkunden zu können. Unserem fahrerischen Können in Bezug auf Rollerfahrten in der Stadt trauten wir nach wie vor nicht, also blieb, wie schon öfter zuvor, nur der Drahtesel.

Unser Reiseführer empfahl ein kleines Kaffee in Laufweite und pries den dort servierten Kaffee als den Besten der Stadt an. Wir machten uns also auf den Weg und wieder fielen mir die schönen kolonial-französischen Fassaden in’s Auge, wenn sie auch nicht so prächtig ausfielen wie in Siam Reap. Irgendwie vermittelten sie mir ein vertrautes Gefühl und der Duft von frischem Baguette, der durch die Straßen wehte, verstärke dies noch und ich fühlte mich ein wenig wie in Südfrankreich.

Am Kinyei Café angekommen, studierten wir die Karte und ich entschied mich für einen einfachen schwarzen Kaffee – ohne Schnickschnack – der wirklich unheimlich gut war. Zusammen mit dem georderten Käsesandwich ergab dies ein äußerst zufrieden stellendes Frühstück für mich. Im Café erkundigten wir uns auch direkt, ob man irgendwo in der Nähe Fahrräder mieten könnte. Freundlich verwies man uns an einen Laden, der direkt um die Ecke lag und nachdem wir aufgegessen hatten, gingen wir nach nebenan und begutachteten das – wie üblich – etwas desolate Angebot an Rädern. Wir fanden aber doch schnell zwei Gefährte, die den Richtlinien der StVo im Ansatz entsprachen und radelten los.

Battambang ist mit 180.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kambodschas, was aber irgendwie nicht auffällt. Auf den Straßen ging es gemächlich zu und wir mussten nicht befürchten, ständig von nervösen Autofahrern über den Haufen gerast zu werden.

Bevor wir uns der klassischen Stadtbesichtigung widmeten, nahmen wir erst einmal Kurs auf eine Polyklinik, die Basti bereits am Vorabend recherchiert hatte. Nach seinem Klinik-Abstecher in Thailand wollte er nun – eher unfreiwillig, jedoch für ihn nicht zu umgehen – die medizinischen Zustände in Kambodscha überprüfen. Seit einigen Tagen hatte er einen merkwürdigen Punkt auf dem Oberschenkel, der ihm, da dieser auch schmerzte, keine Ruhe ließ.

Wir betraten die Eingangshalle und liefen direkt dem Chefarzt in die Arme, der uns sehr freundlich und neugierig empfing. Basti schilderte sein Problem und wurde umgehend auf die Waage gestellt, größentechnisch vermessen und auf ein Bett – was sich praktischer weise ebenfalls direkt im Eingang befand – darnieder gestreckt. Puls, Blutdruck und Temperatur wurden pflichtbewusst von einer Krankenschwester mit Mundschutz (aber ohne Handschuhe) in einem Aufnahmebogen erfasst. Alles sehr dramatisch und der Situation des besorgen Patienten Basti somit sehr angemessen.

Im Anschluss wurden wir in einen Nebenraum gebeten, der unter Gesichtspunkten gewohnter steriler Bedingungen aus Deutschland ein glatter Witz war. Der behandelnde Assistenzarzt trug zwar ebenfalls einen Mundschutz, schickte sich aber ebenfalls an, Bastis Hautinfektion, die bakteriellen Ursprungs war und die man sich mit etwas Glück – oder Pech – in jeder Ecke der Welt zuziehen kann, ohne Handschuhe desinfizieren zu wollen. Nach einer kurzen Intervention kramte er ein Paar Latexhandschuhe hervor und vollzog sein Werk, indem er großzügig eine orange Desinfektionslösung auf Bastis Wunde verteilte. Dann klatschte er ein wenig Watte darüber und versuchte das Ganze mit einem Pflaster, was seinen Dienst zuerst verweigerte, zu fixieren. Es brauchte einige Anläufe und einige neue Pflaster, bis die Behandlung tauglich abgeschlossen war. Der Chefarzt verschrieb zusätzlich noch eine Ladung Antibiotika und damit war das Kapitel auch schon beendet und wir konnten unser normal-touristisches Programm fortsetzen.

Wir fuhren vorbei an Tempeln, schönen Gartenanlagen, auffallend vielen Kunst-Galerien, Straßenhändlern und Cafés, bis wir zum „Riverside Balcony“ direkt am Fluss gelangten. Dieses Restaurant/Bar/Cafe war uns in einer kleinen touristisch aufgearbeiteten Citymap, die wir uns im Hotel besorgt hatten, als eine der überschaubaren Sehenswürdigkeiten und „Places to be“ in Battambang an’s Herz gelegt worden. Von außen sah das mehrstöckige Holzgebäude äußerst einladend aus. Allerdings verhinderte das große Vorhängeschloss an der Tür, dass wir die Lokalität auch von Innen in Augenschein nehmen konnten. Enttäuscht wollten wir wieder abziehen, als eine junge Frau an der Seite des Gebäudes erschien und uns aufklärte, dass das „Riverside Balcony“ erst am Nachmittag seine Pforten öffnen würde. Wir versprachen, später zurück zu kommen und bestiegen erneut unsere Räder und machten uns auf die Suche nach Nahrung, da das Frühstück bereits eine ganze Weile zurücklag.

Fündig wurden wir in der Nähe eines Tempels in einem Innenhof. Das Restaurant war speziell gestaltet und bestand nicht aus einem großen Raum sondern aus nebeneinander liegenden kleinen „Abteilen“, die mit einem Tischchen und Liegesitzen ausgestattet waren. Irgendwie wirkte dies auf uns Japanisch, wobei weder Basti noch ich bisher in Japan gewesen waren. Wir versuchten, auf der kambodschanischen Karte irgendetwas zu finden, was uns ansatzweise bekannt vorkam, scheiterten allerdings komplett und riefen den Kellern zu Hilfe, der auch direkt hilfsbereit mit einer englischen Karte anrückte.

Das Angebot war überschaubar und eher westlich orientiert, was mich lediglich zur Bestellung einer Kokosnuss veranlasste. Diese wurde dann, quasi fangfrisch, auf einem niedrigen Holzblock im Innenhof von einem geübten Servicemitarbeiter mittels einer Art Hackebeil fachmännisch von ihrer äußeren Hülle befreit und flugs mit Strohhalm serviert.

Nach der Rückkehr in unser Hotel mit dem Todesventilator nahmen wir am frühen Abend wieder Kurs zum „Riverside Balcony“ auf. Der Pizzaduft, der aus der Küche zu unserer Liegewiese auf der gemütlichen Terrasse, herüber wehte, veranlasste uns, diese auf Verzehrtauglichkeit hin zu prüfen. Unser Fazit: hauchdünn, extrem knoblauchlastig, lecker! Essen, Bier und Kulisse des „Riverside Balcony“ stimmten und wir ließen den Abend hier nicht all zu früh ausklingen.

Am nächsten Morgen gaben wir unsere Fahrräder zurück und gingen direkt wieder zu unserem Hotel, wo wir um 12:00 Uhr mit einem zuvor gebuchten TukTuk Fahrer einen Ausflug in die Umgebung unternehmen wollten.

Fünf vor Zwölf knatterte „Rita“ – unser Fahrer – samt TukTuk-Sänfte vor die Eingangstür und lud uns freudestrahlend ein. Auf dem Plan stand eine Fahrt mit dem (legendären) Bamboo-Train, eine Fahrt durch die ländlich, dörfliche Umgebung und zum Abschluss der Besuch der Killing- und Bat-Caves. Es wartete also ein tagesfüllendes Programm auf uns.

Rita war unheimlich nett und sprach zudem ziemlich gut Englisch. Er fuhr zuerst mit uns ein wenig durch die Stadt, erzählte uns einiges über die bewegte Geschichte Battambang’s und Kambodscha‘s und kutschierte uns schließlich zu unserer ersten Station des Tages: dem Abfahrtsbahnhof des Bamboo-Train.

Wir wussten in etwa, was uns erwartete und sprangen auf die niedrige Plattform aus Bambusholz, die mit Teppichen und Kehrseiten-schonenden Kissen ausgelegt war, und versuchten, im Schneidersitz, eine bequeme Position einzunehmen. Die Bamboo-Trains – wie gesagt, eine motorisierte Draisinen-artige Konstruktion aus Bambus-Brettern, die ein wenig an fliegende Teppiche erinnerten, lagen nur lose auf zwei Radsätzen auf und waren über einen Keilriemen mit dem hinten angebrachten Dieselmotor einfachster Bauart verbunden.

Es gibt nur eine Strecke – gleichermaßen für den Hin- als auch für den Rückweg. Bei Gegenverkehr muss man absteigen und die Plattformen werden, samt Motor und Radsätzen, von den Schienen gehoben, der Gegenverkehr darf passieren und dann setzt man das Ganze einfach wieder auf die Schienen und knattert weiter.

Die Fahrt startete gemächlich, nahm aber in Windeseile rasant an Fahrt auf. Der Fahrtwind, der uns entgegen schlug, kühlte uns nicht ab – es war brüllend heiß, als wie durch die versengte Landschaft donnerten. Die Fahrt fühlte sich an, als säße man in der Wilden Maus – allerdings in der Highspeed Offroad Edition. Die Schienenstränge verliefen so ungleichmäßig, dass wir ordentlich durchgerüttelt wurden. Teilweise waren notdürftige Reparaturen an den Schienen vorgenommen worden, was die Fahrt aber nur noch abenteuerlicher gestaltete, da man jedes Anschlussstück der Schienen – die sich nicht gleichmäßig zusammenfügten sondern kleine Spalte aufwiesen und in beeindruckend beängstigenden Schlangenlinien verliefen – mit ordentlichen Hopsern und dem Eindruck überfuhr, dass man gleich aus der Spur fliegen müsste.

Unser Fahrer drückte aber unbeeindruckt weiter auf’s Gas und wurde erst langsamer, als wir einen vor uns fahrenden Bamboo-Train fast eingeholt hatten.

Da wir zu zweit hintereinander unterwegs waren, musste der uns entgegenkommende Zug von den Schienen gehoben werden und wir fuhren amüsiert an den in der sengenden Sonne darbenden Touristen und deren Fahrer vorbei. Wieder lieferten wir uns ein Rennen mit unserem Vordermann und kamen – nach ca. 10 Minuten wildester Fahrt – am Ende der Strecke an.

Früher verband der Bamboo-Train Battambang mit Siem Reap und war ein wichtiges Transportmittel für Lebensmittel und sonstige Güter. Heute dient er lediglich noch als Touristenattraktion und fällt vermutlich im nächsten Jahr dem Bau einer neuen Zugstrecke zum Opfer. Dies ist insofern sehr bedauerlich, da damit einen wichtige Einnahmequelle für die Bevölkerung entlang der Strecke ersatzlos entfällt.

An der Endhaltestelle gab es diverse Souvenirs sowie Getränke und Essen zu erstehen. Wir liegen ein wenig in der Gegen herum, die auf Grund der Trockenzeit aber wenig spektakulär und im Wesentlichen staubig anzuschauen war. Als wir nach kurzer Zeit zur Endstation zurückkehrten viel uns ein Grill in`s Auge, auf dem merkwürdiges und recht undefinierbares Getier vor sich hin brutzelte. Die Verkäuferin informierte uns, dass es sich bei dem Grillgut um Feldratten handelte, die ganz köstlich und schön fett seien, da sie ja nur besten Reis und keinen Müll zu sich nahmen und sie amüsierte sich auf Grund unserer angewiderten Gesichtsausdrücke offenbar immens. Wir hatten ja durchaus Erfahrungen mit dem Verzehr nonkonformistischer Lebensmittel gemacht, aber Ratten wollten wir unseren Speiseplan dann doch nicht ergänzen.

Wir bestiegen also wieder unsere fliegenden Bambus-Teppiche und rasten die Strecke zurück. Trotz der brüllenden Hitze war das Ganze ein absoluter Mordsspaß und wir behielten das eingemeißeltes Grinsen in unseren Gesichtern für die nächsten Stunden bei.

Die Fahrt führte uns nun durch einige Dörfer bei denen es sich im aber eher um eine Ansammlung einzelner Hütten handelte. Kühe, Schafe und Ziegen gehörten zur Standard Ausstattung der Haushalte und dösten bräsig im Schatten der zusammengezimmerten Stallungen, die direkt an die Hütten angebaut waren, vor sich hin. Die Umgebung wirkte sehr arm, aber überall, wo wir Menschen sahen, blickten wir in glückliche und zufriedene Gesichter. Die Hütten sind befinden sich stets in relativ großer Höhe und darunter befindet sich ein Freiraum, der fast immer mit Hängematten ausgestattet ist. Die Hütten dienen lediglich zum Schlafen; gelebt, gechillt, gespielt und getroffen wird sich tagsüber unten.

Nach einer Weile machten wir an einem Wat halt und durften uns umschauen. Wir durchstreiften die Anlage und bewunderten die schönen Stupas auf dem Gelände. Unser Fahrer und Guide, die redselige Rita, erklärte uns, dass diese Stupas eine Art Begräbnisstätte darstellt, die auf Wunsch der Familie des Verstorbenen mit individuellen Symbolen und Statuen versehen werden können. Dafür bedarf es allerdings auch immer eines bestimmten Budgets. Je prächtiger der Stupa, desto einflussreicher (und damit auch reicher) war der Verstorbene.

Basti und ich schlenderten durch den Garten des Wats und plötzlich stand ein Mönch in typisch oranger Kluft vor uns. Basti ging direkt weiter, da er wohl befürchtete, dass dieser uns zum Zweck einer Spendenbitte gestoppt hatte. Ich ließ mich jedoch unbefangen auf ein Gespräch ein und schilderte, wo wir herkamen, was wir hier machten und tauschte ein wenig Smalltalk mit dem buddhistischen Geistlichen aus.

Als er mich in sein Haus bat, war ich zunächst etwas befangen, da ich nicht einfach in seine heiligen Hallen hineinschlurfen wollte. Aber er ließ nicht locker und so folgte ich Ihm schließlich in sein spartanisch eingerichtetes Heim.

Dort gab es einen Raum mit einem Schlafplatz (eine dünnen Matte auf dem Boden) und einem Schrank, einen Gebetsraum und einen weiteren Raum, an dessen drei Seiten Tische mit verhüllten Gegenständen standen. Als er einen der mysteriösen Gegenstände enthüllte, traute ich meinen Augen kaum. Darunter befanden sich PC’s – inkl. Monitor und Tastatur. Baujahr in etwa 1990 – also quasi Oldtimer der Personal Computer Generation.

Er erklärte mir, dass er der Meinung sei, dass man sich nur durch Bildung aus Armut und kleingeistigem Denken befreien könne und so hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, die Kinder der Bauernfamilien der Umgebung im Umgang mit Computern zu schulen, um ihnen eine besseren Start in eine erfolgreiches Leben mit den Ansprüchen der Neuzeit zu ermöglichen.

Ich war geradezu platt und machte nur große Augen. Ich hatte sonst etwas erwartet, aber nicht einen IT Mönch, der die Zeichen der Zeit offenbar richtig zu deuten wusste. Das war auch schon alles, was er mir zeigen wollte. Er bat nicht um Spenden oder sonstige Unterstützung. Er wollte sich einfach nur nett unterhalten und vielleicht deutlich machen, dass man hier die Welt nicht für eine Scheibe hielt. Ich verabschiedete mich freudestrahlend von Ihm und wünschte Ihm für seine Bemühungen nur das Beste und er entließ mich ebenso erfreut in die Hitze des Gartens.

Nach diesem schönen und unerwarteten Erlebnis fuhren wir weiter. Die Fahrt dauerte noch nicht lange und wir waren von den ländlichen Sandpisten gerade wieder auf die Hauptsraße abgebogen, als Rita bei einer Straßenhändlerin stoppte. Der kleine Verkaufsstand setzte sich aus einem windschiefen Sonnenschirm, einem Tischen mit Kokosnüssen, einem klapperigen Stühlchen und einem Grill zusammen.

Auf diesem Grill schmurgelte etwas vor sich hin, was wir bereits vom Bamboo-Train kannten: Ratten in den gängigen Verzehrgrößen S, M, und XL – platt wie die Flundern und jenseits des Garpunktes, der als saftig durchgehen würde. Wir waren wohl noch etwas „high“ von unserer wilden Bambus-Zug-Fahrt, jedenfalls ließen wir uns von Rita zu einer Kostprobe überreden. Er wollte uns zuerst eine der großen Exemplare zukommen lassen, was wir aber hektisch ablehnten und ihn um eine kleine Version baten. Diesen speziellen Snack reichte uns die Verkäuferin zusammen mit einem Schälchen Pfeffer, das mit Limettensaft und Chilli gemischt war.

Jetzt kamen wir aus der Ratten-Nummer nicht mehr heraus und ohne großartig weiter darüber nachzudenken, riss sich jeder ein Stückchen des durchgegrillten Nagers ab, dippte es in den Limetten-Pfeffer und mümmelte vor sich hin. Der Ekel, den man vor solchen Sachen hat, kommt meistens nicht von der geschmacklichen Komponente, sondern wird mental impliziert. Vermag man es, den Kopf auszuschalten, ist die Herausforderung keine große mehr.

Und was soll ich sagen… es schmeckte. Und da die Ratte durch den Feuersturm des Grills quasi zweifach getötet worden war und somit auch bestens desinfiziert aufgetischt wurde, fanden wir durchaus Gefallen an der überaus knusprig-krossen  Spezialität mit 1A Röstaroma.

Nun stand die letzte Station unserer Tour auf dem Plan: Die Killing- und Bat Caves von Battambang. Den Name Killing Caves verdanken die Höhlen auf dem Berg Phnom Sampeau, zu Deutsch „Schiffsberg“ – da er die Form eines Schiffes hat – dem grausamen Regime der Roten Khmer unter Pol Pot. Während dieser Schreckensherrschaft, die in Kambodscha lediglich von 1975 bis 1979 ihren Höhepunkt hatte, wurde jeder vierte Kambodschaner Opfer eines Systems, das aus wahn- und aberwitzigen Ideen erwuchs und die Idee des Aufbaus eines Agrarkommunistischen Staates verfolgte. Da die Guerillabewegung der Roten Khmer, deren Name sich von den Khmer, einer bevölkerungsmehrheitlichen Ethnie in Kambodscha ableitete, bei der Bekämpfung ihrer Feinde (im Wesentlichen der eigenen kambodschanischen Bevölkerung – der Bildungselite des Landes und Bewohnern von Städten) Munition sparen wollten, wurden diese oftmals mit Macheten getötet oder einfach in Höhlen zu Tode gestürzt.

Es ist ein bedrückendes Erlebnis, einerseits die schöne, dschungelartige Natur zu durchwandern und den Phnom Sampeau zu erklimmen, um dann vor einem schlundartigen Höhleneingang zu stehen, in dem so viele unschuldige Menschen so grausam zu Tode gekommen sind. Und da die Bergung der sterblichen Überreste nicht möglich ist, haben sie dort auch ihre letzte Ruhe gefunden.

Das drückte natürlich auf die Stimmung… aber wir fingen uns doch recht schnell wieder und machten uns weiter daran, die Spitze des Berges zu erreichen, der mit etwa 800 Metern eher ein Hügelchen ist, sich in der kambodschanischen Flachlandschaft aber durchaus majestätisch erhebt.

Erreicht man den höchsten Punkt, findet man dort, neben einem buddhistischen Kloster, was von Horden kleiner, frecher Rhesusäffchen bevölkert wird, einen Aussichtspunkt. Von dort hat man einen spektakulären Blick auf die Landschaft aus umgebenden Reisfeldern und kann bei guter Sicht fast bis in’s 15km weit entfernte Battambang schauen.

Nach einer kurzen Verschnaufpause machten wir uns daran, den Kalkstein-Berg auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinabzusteigen. 700 Stufen lagen vor uns und die in den Bäumen über unseren Köpfen herumschaukelnden Affen machten den Weg zu einer wackeligen Angelegenheit, da wir ständig befürchteten, von den kleinen haarigen Gesellen überfallen und unserer Habseligkeiten beraubt zu werden.

Unten angekommen, ließen wir uns in einem der zahlreichen Straßenrestaurants nieder und bestellten uns ein Nudelsüppchen und ein Angkor zur Stärkung, denn das eigentliche Highlight des Tages lag noch vor uns. Unser Guide gesellte sich zu uns und wir unterhielten uns ein wenig, bevor wir an einer anderen Stelle des Geländes Station bezogen.

Wie viele weitere hunderte Schaulustige, machten wir es uns auf roten Plastikstühlen, direkt unterhalb der Öffnung der Bat Caves, gemütlich und warteten. Und warteten… und warteten…

Langsam wurden unsere Hälse steif, wie wir da so angestrengt nach oben starrten. Wir harrten einem allabendlich stattfindenden Naturschauspiel besonderer Güte. Nämlich dem Ausflug eines Schwarms an Freischwanzfledermäusen. In ganz Kambodscha leben etwa 6,5 Millionen dieser Tier und in Battambang befindet sich die größte Population dieser Nachtschwärmer.

Langsam aber sicher brach die Dämmerung über uns herein und obwohl wir schon fast dreißig Minuten angestrengt auf die Höhe starrten wollte sich nichts tun. Unser Guide hatte uns vorher erzählt, dass die Tiere eigentlich so gut wie immer die Höhle verlassen, aber es kann vorkommen, dass sie sich durch irgendetwas gestört fühlten und dementsprechend nicht herauskamen. Angesichts der vielen Menschen, die dem Schauspiel beiwohnen wollten, fragten wir uns, ob heute vielleicht so ein Nicht-Ausflug-Tag sein könnte.

Doch plötzlich kam Bewegung in die Sache. In der Höhe sah man erste Feldermäuse flattern. Erst nur vereinzelte, dann nach und nach immer mehr, bis es den Anschein hatte, als würde sich dort ein riesiger Strudel befinden, der sich immer schneller zu drehen begann.

Und dann ging es mit Brachialgewalt los… die Fledermäuse starteten zu ihrem nächtlichen Beutezug. Sie flogen aber nicht alle auf einmal heraus, sondern in einem nicht enden wollenden, gleichmäßigen Strom, der sich, ähnlich einer Perlenschnur, in den Nachthimmel ergoss. Was für ein Anblick!

Ich hatte überall Gänsehaut, sogar im Gesicht, und bekam den Mund nicht mehr zu. Die Fledermäuse, die an einem einzigen Abend auf den Reisfeldern der Umgebung zwischen 50 – 100% ihres eigenen Körpergewichtes an Insekten und Ungeziefer vertilgen, hörten nicht auf aus ihrer steinernen Behausung zu flattern. Wenn es jetzt noch von irgendwo eine dramatisch untermalenden Musik gegeben hätte, dann hätte ich vor lauter Begeisterung zu heulen angefangen.

Dies blieb zum Glück aus und so starrten wir gebannt und fasziniert auf die Tiere, die in schönster stromlinienförmiger Ordnung den Nachthimmel durchflatterten. Nach 20 Minuten war noch kein Ende in Sicht und wir bestiegen einen kleinen Hügel vor der Höhle, um noch näher an dem Ereignis zu sein.

Über uns zogen die Fledermäuse dahin und mir Stand die Klappe nach wie vor offen. Allerdings auch nur so lange, bis neben uns jemand sagte: „They pee when they come out. You better close your mouth“ (Die pinkeln, wenn sie rauskommen. Du machst besser den Mund zu.) Für den Bruchteil einer Sekunde verstand ich nicht, doch als mir bewusst wurde, dass ich eben noch gedacht hatte, dass es zu regnen beginnen würde, da ich irgendwelche Tropfen auf meinen Händen und Schultern gespürt zu haben glaubte, machte ich meine Luke reflexartig dicht. Kurz darauf später stiegen wir den Hügel wieder hinab. Nicht zuletzt auch, da es sehr intensiv zu müffeln begann und wir nicht länger im Piesel-Regen stehen wollten. Wir machten uns also auf die Suche nach unserem Guide.

Der Strom der Fledermäuse hatte, obwohl sie bereits vor 40 Minuten damit begonnen hatten, ihre Höhle zu verlassen, noch immer nicht an Intensität verloren. Der Schwarm in Battambang umfasst über 1 Million Tiere und der Ausflug kann weit über 1 Stunde dauern. So etwas erleben zu können ist einfach der Wahnsinn!

Nachdem wir Rita gefunden hatten, machten wir uns auf den Rückweg nach Battambang und wurden von Ihm nach einer erfrischenden Nachtfahrt wieder sicher im Hotel abgesetzt. Wir bedankten uns mit einem großzügigen Trinkgeld und verabschiedeten uns glücklich.

Dann packten wir im Hotel unsere Rucksäcke für die Fahrt nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, die für den nächsten Tag auf dem Plan stand und gingen noch etwas essen. Wir speisten in einem Restaurant, welches wir noch nicht getestet hatten und Basti bestellte sich, nach längerer Zeit der Abstinenz, einmal wieder ein grünes Curry. Das dies schwerwiegende Folgen haben würde, zeigte sich am Tag, kurz vor Beginn unserer Busfahrt nach Phnom Penh…

Böötchenfahrt mit Hindernissen im wahre Land des Lächelns…

Dienstag, der 28. Februar verlief, nach unserer Inspektion Angkor Wats und einem neuerlichen Ausflug auf die Pub Street Siem Reaps, äußerst beschaulich und stand zudem im Zeichen neuerlichen Aufbruchs, da wir, wie schon so oft zuvor, wieder unsere Backpacks schnürten, um am nächsten Tag nach Battambang aufzubrechen.

Am nächsten Tag standen wir also wieder einmal sehr früh auf und warteten wir vor unserem schönen Guesthouse, was wir wirklich nur ungerne verließen, auf unseren Minibus, der uns zum Bootsanleger Siem Reaps bringen sollte.

Wir hatten uns für die Anreise per Boot entschieden und waren gespannt, wie sich diese gestalten würde. Die Reiseveranstalter halten sich hinsichtlich expliziterer Auskünfte zu den diversen Transportmitteln stets sehr bedeckt. Entweder gibt es ein Speed Boat oder ein normales Boot, Bus ist gleich Bus und Mini Van ist gleich Mini Van – aber es wird einem eigentlich fast immer alles als very VIP angepriesen. So kann man sich eigentlich immer nur auf ein Neues überraschen lassen.

Unser Boot, was wir nach kurzer Fahrt in einem bis unters Dach vollgestopften Mini Bus, erreichten war alles andere als very VIP. Aber es machte einen gemütlichen Eindruck und man konnte im unteren Bereich in Doppelsitzen in Zweierreihe sitzen oder es sich – neben dem gesamten Gepäck – auf dem Dach gemütlich machen. Das Boot war nach allen Seiten offen, Fenster oder ähnlichen Schnickschnack hatte man sich direkt gespart. Die Hartschalensitze lagen in etwa auf gleicher Höhe mit der Wasseroberfläche, was einen schönen und fast „ebenerdigen“ Blick auf das Ufer ermöglichte. Platzkarten gab es keine, also beschlagnahmten Basti und ich direkt einmal jeweils einen Doppelsitz für uns und breiteten uns strategisch aus.

Im Boot waren noch einige Plätze frei, als wir mit riesigem Getöse, was durch den riesigen Dieselmotor im Heck des Bootes verursacht wurde und uns und die Umgebung in eine stinkende, schwarze Wolke hüllte, starteten. Feinstaubfilter ahoi. Ich begann, darüber nachzudenken, wie sinnvoll die Anschaffung eines Mundschutzes – wie ihn fast alle Einheimischen trugen – sein könnte.

Aber bald verflog der Qualm und wir machten uns auf die Reise nach Battambang, die zwischen 6 bis 9 Stunden andauern sollte. Warum diese recht große Zeitspanne zwischen Minimum und Maximum angegeben wird, liegt zum einen am stark variierenden Wasserstand des Mekong. Während der Trockenzeit führt er verständlicherweise viel weniger Wasser, als während der Regenperiode. Einen weiteren Grund werde ich später noch eingehend erläutern.

Der Anleger in Siem Reap ist mit beeindruckenden Stelzenhäusern gesäumt, die teilweise bis zu 10 Meter über dem Wasser thronen. Der Wasserspiegel war auf Grund der Trockenzeit sehr niedrig, was die Häuser wie bizarre Stelzenläufer wirken ließ.

Langsam aber sicher ließen wir die Stadt hinter uns und tuckerten auf dem Mekong dahin. Die Landschaft wurde immer menschenleerer, nur ab und zu lagen kleine Fischerboote in Ufernähe, wo die Fischer ihrem Tagewerk nachgingen. Die Natur zu beiden Seiten wurde immer üppiger und viele weiße Reiher stolzierten im Schilf auf der Suche nach Beute herum. Immer wieder passierten wir riesige Gebilde aus Bambusstangen, die sich als Senken zum Fischfang entpuppten. Sie waren mitten auf dem Fluß verankert und teilweise waren auch kleine Hütten angebaut, die aber weitestgehend unbewohnt schienen.

Ich hatte mich bereits beim Start unserer Fahrt gewundert, wo die Leute hin verschwunden waren, die zuvor alle mit an Bord gekommen waren, aber nun nicht die Sitzreihen neben, vor und hinter uns besetzten. Als Basti vorschlug, ob wir uns nicht einmal auf dem Dach umschauen sollten, löste sich dieses kleine Rätsel auch direkt auf.

Da oben war es mittlerweile ganz schön voll und belagert von sonnenhungrigen Backpackern und dem Gepäck aller Reisenden. Das Dach wölbte sich zu beiden Seiten leicht nach unten und war lediglich mit einer kleine Reling versehen, die etwa eine Handbreit hoch war. Überall lagen Leute oder Rucksäcke herum und man musste konzentriert herumbalancieren, um A: nicht vom Dach in den Mekong zu stürzen oder B: auf irgendetwas oder irgend wen zu treten.

Letzteres misslang mir auf dem Rückweg nach unten, als ich mich entweder für Absturz oder (unbeabsichtigten, aber in der Hitze des Gefechts nicht zu vermeidenden) Fußtritt für eine herumlungernde Touristin entscheiden musste, die sich wirklich außerordentlich dümmlich platziert hatte und die schmale Durchgangsgasse vom Vordereck auf’s Dach komplett mit ihrem ausladenden Allerwertesten blockierte. Ich ignorierte erfolgreich ihr entrüstetes Schnauben und bösen Blicke und war einfach nur froh, dass man mich nicht hatte aus dem Mekong fischen müssen.

Vor meinem wackeligen Rückweg saßen wir etwa eine Stunde auf dem Dach und genossen die Aussicht. Wir passierten schwimmende Dörfer, wo uns immer wieder fröhliche Kinder und Jugendliche zuwinkten und „Hello, Hello“ riefen. Die Dörfer, welche komplett auf dem Wasser lagen, hatten nur in den seltensten Fällen Verbindungen mit dem Festland. Manchmal gab es schmale Stege, die zu Hütten am Rand führten. Ansonsten spielte sich das komplette Leben der Menschen dort auf dem Wasser ab. Leben, schlafen, kochen, spielen, arbeiten, tanzen… immer umgeben von Wasser. Es gab sogar schwimmende Kirchen. Sehr faszinierend und die Menschen wirkten obendrein unheimlich fröhlich und mindestens so interessiert an uns, wie wir an ihnen.

Kambodscha war uns bisher nicht nur durch seine außergewöhnliche Hitze und dementsprechend etwas ausgedörrte Landschaft aufgefallen. Es hat, im Gegensatz zu Thailand, was ja als ursprüngliches Land des Lächelns bekannt ist, etwas unglaublich Schönes zu bieten. Nämlich die freundlichsten, offensten und lebensfrohsten Menschen, die ich jemals zuvor erlebt habe.

Ständig riefen uns Kinder auf der Straße hinterher „Hello, what’s your name“ und wollte uns per High Five abklatschen oder uns mindestens zuwinken. Überall dudelt immer irgendwelche zu laute, zu schräge, zu kreischende Musik und es wird dazu getanzt, wild gehüpft, oder mindestens ebenso schräg gesungen. Auf den Straßen wird gelacht oder man neckt sich und freut sich des Lebens.

Kambodscha ist durch seine bewegte Geschichte und die kriegserschütterte Vergangenheit ein sehr junges Volk. Man sieht kaum ältere Generationen auf den Straßen. Den Lebensmut und die Freude an ihrem Dasein haben diese Menschen aber offensichtlich nicht verloren. Auch, wenn Sie in unseren Augen als arm gelten oder nach unseren Standards ein hartes, sehr einfaches und wenig beneidenswertes Leben führen sind sie in vielerlei Hinsicht doch viel reicher als wir. Man kann nur hoffen, dass sich die Kambodschaner diese Eigenschaften für immer bewahren!

Aber nun zurück auf Böötchen. Wir ließen uns auf dem Dach noch immer die Sonne auf die Bäuche scheinen, als wir von einem Seitenarm des Mekong plötzlich auf scheinbar offenes Gewässer hinausfuhren. Man konnte kein Ufer mehr sehen und zu allen Seiten breitete sich nichts als Wasser aus – bis an den Horizont. Dieses beeindruckende Gewässer war jedoch kein Meer, sondern der Tonle Sap, bzw. Tonle See, größter Binnensee Asiens. Auch hier tauchte plötzlich, wie aus dem Nichts eine schwimmende Kleinstadt – samt Rathaus und Kirche aus.

Langsam aber sicher wurde es mir auf dem Oberdeck zu ungemütlich, denn ich fühlte mich wie die Katze auf dem heißen Blechdach. Ich verkrümelte mich, unbeabsichtigte Fußtritte verteilend, wieder unter Deck. Hier war es wesentlich angenehmer und es wehte sogar eine leichte Brise durch die Sitzreihen.

Nach einiger Zeit auf dem Tonle Sap kehrten wir wieder auf den Mekong zurück und ich versuchte, einen kleinen Powernap einzulegen. Ziel war es hierbei, mit Einnahme einer maximal unbequem wirkenden Position ein maximal gutes Nap-Ergebnis zu erzielen. Ich schnappte mit eine Schwimmweste, legte sie auf die Außenbordwand, um meine Waden etwas zu polstern und hängte einen Fuß nach draußen. Das Bein mit Fuß Nummer Zwei winkelte ich an, um mich damit gegen den Vordersitz zu stabilisieren und nicht zur Seite wegzukippen. Mein Kopf lag jetzt auf dem Platz im Gang und wurde optimal von meinem geliebten Nackenhörnchen gestützt. Ich bin mir sicher, dass dies noch merkwürdiger aussah, als es sich anfühlte, aber es war tatsächlich bequem genug, dass ich tief und fest einschlief.

Geweckt wurde ich dadurch, dass irgendwann dicke, fleischige Wasserpflanzen gegen meinen Außen-Bord-Fuß schlugen, was mich erschrocken veranlasste, den Fuß nach innen zu verlagern. Minuten später fuhren wir so dicht an einer dicken Bambusstande, die zur Fahrbahnmarkierung dienen sollte, vorbei, dass ich vermutlich verdammt weh getan hätte, hätte mein Fuß von draußen herumgebaumelt. Manchmal muss man einfach Glück haben oder im richtigen Moment von Wasserpflanzen geweckt werden.

Der Fluss hatte sich während meines Schläfchens optisch sehr verändert, da überall riesige Inseln von Wasserpflanzen herumtrieben. Diese schienen, je weiter wir uns vorwärts bewegten, immer dichter und höher zu werden. Unser Kapitän hatte durchaus Mühe, einen Weg durch das Gewirr an Pflanzen zu finden, als es plötzlich nach Verbranntem zu stinken begann und die Motorgeräusche immer stockender aus dem hinteren Bootsteil drangen. Der Steuermann kam mit einem Napf von vorne angerannt und schaufelte damit Wasser aus dem Fluss direkt auf den Motor. Dieser dampfe und zischte wie ein Tauchsieder und die beiden Nautiker verschwanden kurzzeitig im Nebel, der durch das verdunstete Wasser vom überhitzten Motor aufstieg.

Da der Kapitän zusammen mit dem Steuermann hinten an der Maschine zu kämpfen hatte, steuerte unser Boot zwar sehr langsam, aber doch führerlos immer tiefer in den Teppich aus Schwimmpflanzen. Irgendwann wurde es dem Motor zu viel und er verabschiedete sich unter lautem Keuchen und Rumpeln komplett. Wir hatten gerade einmal 2,5 Stunden der Tour hinter uns und wir fragten uns, wie es nun weitergehen sollte.

Die Crew war aber offensichtlich auf derartige Vorfälle vorbereitet und begann kurzerhand, den Motor auszubauen und durch einen neuen, der irgendwo hervorgezaubert wurde, zu ersetzen. Das Ganze dauerte etwa eine Stunde, dann war der Kahn wieder flott.

Allerdings nicht ganz so flott wie vorher. Wir waren deutlich langsamer unterwegs und so richtig rund lief der neue Motor nicht. Nach kurzer Fahrt musste die Crew nochmals stoppen, um nachzujustieren.

Erneut setzen wir die Reise fort, doch das Aggregat versagte abermals und da wurde es auch dem Kapitän zu bunt. Er hämmerte auf dem Motorblock herum und fluchte lautstark vor sich hin. Der angeschlagenen Maschine entlockte der so aber doch noch einige Kraftreserven und wir schipperten im Zeitlupentempo zu einem der „Floating Villages“ und machen an einem Hausboot fest. Hier gab es auch einen Shop, wo sich alle mit Essen und Erfrischungen versorgen konnten.

Nach einer Weile legte ein weiteres, vollkommen leeres, Boot an und wir rechneten bereits damit, in dieses Gefährt umgeladen zu werden, als es auch schon wieder ablegte. Trotzdem begann die Crew damit, unser Gepäck von unserem erlahmten Kahn auf den Anleger abzuladen. Wir vermuteten also, dass man uns eine Bus für die Weiterreise nach Battambang zur Verfügung stellen würde.

Ein fahrbarer Untersatz wartetet tatsächlich auf dem Festland auf uns. Allerdings nicht in Gestalt eines Busses für alle Reisenden. Stattdessen standen dort drei Pick ups mit offenen Ladeflächen herum. Die Temperaturen hatten zwischenzeitlich von heiß nach brüllend gewechselt und uns schwante schlimmeres.

Basti roch den Braten und platzierte sich strategisch günstig an der Seitentür der Fahrerkabine neben einem der Pick ups, die immerhin 5 Sitzplätze im Inneren boten und als unser Gepäck verstaut war und der Fahrer den Motor anließ, um die Klimaanlage in Betrieb zu nehmen, hüpften wir einfach hinter den Fahrersitz auf eine 3er Bank und freuten uns wie die kleine Kinder, dass wir einen halbwegs erträglichen und zudem klimatisierten Platz gefunden hatten, statt, wie ein Großteil der Anderen, hinten auf den Pick ups sitzen zu müssen.

Nachdem sich noch zwei weitere Passagiere nebst Fahrer zu uns gesellt hatten ging die Fahrt los. Und was für eine Fahrt das werden sollte… Uns standen 2 Stunden Rüttelplattenfeeling auf einer Straße, die ihren Namen nicht verdiente, bevor. Die Straße war nichts als ein staubiger, rumpeliger, ausgewaschener Dreckpfad, der durch ausgedörrte Landschaft führte.

Unser Fahrer war ein absolutes Genie, der sein Gefährt inkl. touristischer Zuladung trotz der herausfordernden Bedingungen perfekt beherrschte. Der vor uns fahrende Pick up nahm so ziemlich jeden tiefer hängenden Ast und jedes struppige Gebüsch so mit, dass die Leute auf der Ladefläche auch ziemlich viel davon hatten. Unser Fahrer schaffte es, die hinten Mitreisenden vor fast jeder Astpeitsche zu bewahren. Nach einiger Zeit hatte sich der Pick up vor uns auch schon fest gefahren. Alle mussten abspringen, nur wir Luxusreisenden im Inneren der Fahrzeuge durften sitzen bleiben und bestaunen, wie unser Fahrer den vorauseilenden Dilettanten galant mit einem Seil, so dünn wie Zahnseide, Rückwärts aus dem Dreck bugsierte. Das Spielchen machte er noch zwei Mal mit anderen liegen gebliebenen Fahrzeugen und wir klatschten jedes Mal begeistert Beifall.

Als nettes Detail amüsierten wir uns übrigens darüber, dass sein Pick up zwar eine absolute Schrottlaube zu sein schien, sein Besitzer sich aber ganz stilbewusst einen Louis Vuitton Lenkradüberzug geleistet hatte. Dass es sich hierbei um einen Fake handelte, lag nahe, denn ich bin mir sicher, dass es in der Produktpalette des französischen Luxuswarenproduzenten keine Lenkradüberzüge gibt. Es sei denn sie sind Custom made und unser Fahrer sah nicht danach aus, als würde er für derartiges sein Geld zum Fenster hinauswerfen.

Rein fahrerisch war die Tour ein Vergnügen, rückentechnisch für mich die absolute Katastrophe. Obwohl wir wirklich die besten Plätze ergattert hatten, konnte ich schon nach einer viertel Stunde vor Schmerzen kaum noch sitzen und hing wir ein gebeuteltes Fragezeichen auf meiner Bank. Nach 1,5 Stunden legten wir eine Pause ein, in der ich wieder halbwegs gerade biegen konnte.

Der Anblick der anderen Reisenden, die von der Ladefläche krauchten, ließ mich allerdings sofort jeden Schmerz vergessen und in froher und dankbarer Demut verteilte ich mitleidsvolle Blicke. Die Ärmsten waren von oben bis unten mit Staub überzogen. Die wenigen staubfreien Flächen waren teilweise heftig von der Sonne verbrannt oder mit ordentlichen Kratzern überzogen. Trotzdem war die Laune nicht die schlechteste und der letzte Teil der Reise wurde nach der Rast ohne Murren und Knurren angetreten.

Nach weiteren 30 Minuten – und insgesamt moderaten 7 Stunden – erreichten wir endlich den Busbahnhof von Battambang und hier wartete – wie wir fast schon befürchtet hatten – wieder einmal eine Horde wild gewordener TukTuk Fahrer auf uns.

Wir konnten kaum den Pick up verlassen, so sehr bedrängten und die Taxifahrer. Wir kämpften uns zur Ladefläche des Pick ups durch und bevor ich meinen Rucksack herunter hieven und vom Staub befreien konnte, hatte ihn sich schon ein Fahrer zu seinem TukTuk entführen. Die ereignisreiche Anreise hatte uns allerdings so geschlaucht, dass sich die Gegenwehr in Grenzen hielt und wir dem Rucksack-Entführer den Zuschlag gaben. Witziger Weise mussten wir für die Fahrt noch nicht einmal etwas bezahlen, da er auch offiziell für unser Hotel in Battambang arbeitete. Dafür wollte er uns aber direkt eine Tour für den nächsten Tag aufschwatzen. Als wir unser Hotel erreicht hatten, ließen wir ihn ohne weiteren ermüdenden Kommentar einfach stehen und schlichen zur Rezeption.

Das Personal empfing uns freundlich, aber geschüttelt von Hustenanfällen. „Hand vorm Mund“ ist in Asien nicht gebräuchlich, also gingen wir etwas auf Abstand, um am nächsten Tag nicht mit dem gleichen Keuchhusten aufzuwachen. Eine weniger erregerbefallene Angestellte führte uns auf unser Zimmer, welches wir für ok befanden und uns einzugswillig zeigten.

Die Gute hatte noch einen wertvollen Tipp für uns und ermahnte uns, unsere T-Shirts unter keinen Umständen unter dem Ventilator auszuziehen, der sich über unseren Köpfen auf höchster Stufe drehte. Es würde mindestens den Verlust unserer Hände bedeuten! Wir schauten erst uns fragend an und dann Sie und wollten wissen, was der Ventilator des Grauens für Stunts beherrschte, denn das Gerät befand sich in 3 Meter Höhe unter der Decke und keiner von uns beiden ist über 2 Meter groß.

Sie kläre uns dann auf, dass die Deckenhöhe in der 3. Etage viiiiel niedriger sei als in der 2. Etage – auf der wir uns befanden. Somit war diese Information für uns zwar erschreckend, aber ebenso nutzlos wie irrelevant. Danke trotzdem und Safety first.

Als sie das Zimmer verlassen hatte, entdeckte ich, dass dieses eigentlich bereits belegt war. Und zwar mit einer riesigen Kakerlake, die allerdings offensichtlich auf dem letzten Loch pfiff. Sie lag auf dem Rücken und zuckte nur noch schlapp mit einem ihrer Hinterbeinchen.

Wir zwangen sie umgehend zum Auszug, indem wir sie mit einem Flipflop in den Hotelflur schnippten (Wo sie für die nächsten 2 Tage vor sich hinschimmelte – das Hotelpersonal zeigte sich davon ausnahmslos unbeeindruckt, wie unser Feldtest ergab. Wir entsorgten sie später selbst großmütig per Luftbestattung über den Balkon).

Das Zimmer gehörte nun offiziell uns! Wir machten uns noch auf die Suche nach etwas Essbarem und besorgten uns auf dem Rückweg eine Flasche koreanischen Reiswein, der uns im Supermarktregal angelacht hatte. Z

Zurück im Hotel ließen wir uns den Schlummertrunk schmecken und guckten dabei Americas Next Top Model, da unser Hotelzimmer über den Luxus eines Fernsehers mit Empfang diverser englischsprachiger TV-Kanäle verfügte und freuten uns darauf, am nächsten Tag Battambang und Umgebung richtig kennen zu lernen…

Der Weg ist das Ziel…

Hi! Ich bin Peggi. Reisen haben in meinem Leben schon immer eine große Rolle gespielt. Und das nicht erst, seit die Mauer zwischen Ost und West 1989 fiel und dadurch auch uns sogenannten Ossis plötzlich die ganze (Reise)Welt zu Füßen lag. Ich hatte bereits das Glück die USA, Asien und weite Teile Europas und viele Ecken meiner deutschen Heimat bereisen zu dürfen. Morgen, am 31.01.2017 werde ich zu einer ganz besonderen Reise aufbrechen. Einer Reise, wie ich sie mir eigentlich nie erträumt hatte. Nach fast 20 Jahren in Köln habe ich meine Zelte dort abgebrochen, meine Habseligkeiten im knapp 600km weit entfernten Haus meiner Mutter untergebracht und werde nun für einige Wochen und Monate durch Asien reisen. Der Entschluss, dies zu tun liegt gerade einmal zwei Monate zurück. Manchmal muss man einfach „machen“.

Gründe für diese Entscheidung gibt es viele, der Auslöser jedoch war ganz klar Basti. Ein guter und langjähriger Freund, der mir im Oktober letzten Jahres erzählte, dass er wieder auf Reisen gehen möchte. Bereits vor einigen Jahren hatte er seine erste Weltreise – ebenfalls Resultat einer impulsiven, spontanen Eingabe hin folgenden Entscheidung – bestritten und das Reisefieber hatte ihn nun wieder gepackt. Ohne seinen Wunsch, einmal mehr die Welt zu sehen und zu bereisen, hätte ich mich nicht entschlossen, meinem Leben eine entscheidende Wende zu geben und mich mit Ihm auf den Weg zu machen.

Auf unserer Liste stehen Thailand, Kambodscha und Vietnam. Ein herrliches Abenteuer! Unser Flug nach Asien ist gebucht. Visa für Vietnam haben wir in der Tasche und die Übernachtung für die ersten Nächte in Bangkok ist gesichert. Mein Rucksack hat ein Fassungsvermögen von 50 Liter, was angesichts meines normalen Packverhaltens auf Reisen dem Volumen einer mittelgroßen Tupperdose gleicht. Ich bin selbst gespannt, wie ich damit zurecht kommen werde. Aber durch das eine oder andere Microadventure in Deutschland und Belgien gehe ich diese Herausforderung nicht völlig ahnungslos an. Ich würde mich freuen, wenn Ihr alle an meiner kleinen Challenge teilnehmt und fleißig meinen Blog verfolgt. Ich werde jetzt noch final meinen Backpack schnüren und versuchen, über die Entscheidung, welche Anzahl an Unterhosen nun die richtige ist, nicht den Verstand zu verlieren. Aber auch diese Hürde wird noch genommen, bevor ich morgen die Thai Airways Maschine besteige und nach 10,5 Stunden Flugzeit in der Stadt mit dem längsten (mit 169 lateinischen Buchstaben ist das tatsächlich allerhand) Ortsnamen der Welt ankommen werde. Stay tuned ;o)